Auftritte von Frauen

Ich fing den Roman Salammbô von Gustave Flaubert an, und beim Auftritt der Titelheldin musste ich unweigerlich an die afrikanische Medizinfrau aus Joseph Conrads Herz der Finsternis (1899) denken. Ihr Auftritt kam damals in meinem Artikel spät und ging unter. Nur Frauen können so majestätisch auftreten und magisch wirken ohne große Begleiterschar.

Beschrieben haben diese Szenen jedoch Männer, die Frauen verehren und auf sie etwas Überirdisches projizierten. Die magische Wirkung stellt sich nur durch das Überraschende des Auftritts und in der Entfernung ein; alle Stars und Heldinnen müssen abseits bleiben, die Magie hält meist dem Alltag nicht stand. Allerdings: Adepten folgen ihrem Guru und leben bei ihm (oder ihr), da der Guru auch in kleinen Gesten und Handreichungen seine außergewöhnliche Qualität beweist, der nachzueifern ist.

Aus »Herz der Finsternis«:

Heart-of-Darkness-textssUnd das beleuchtete Ufer entlang bewegte sich von rechts nach links ein wilde und prächtige Frauensperson.
Sie kam gemessenen Schrittes daher. Angetan mit gestreiften und fransenbesetzten Tüchern, stampfte sie unter dem Geglitzer und leisen Geklingel barbarischen Schmuckes stolz über den Boden. Sie hielt ihren Kopf hoch erhoben; ihr Haar war in der Form eines Helms frisiert; sie trug bis zu den Knien reichende Messing-Gamaschen; Messing-Armreife bis zu den Ellenbogen, einen roten Fleck auf ihrer lohfarbenen Wange, unzählige Halsbänder aus Glasperlen; bizarre Dinge, Amulette, Geschenke von Medizinmännern, die an ihr herumbaumelten, glitzerten und bei jedem Schritt erzitterten. Sie muss den Wert mehrerer Elefantenstoßzähne an sich getragen haben. Sie war primitiv und herrlich, funkeläugig und grandios; etwas Unheilverkündendes und Hoheitsvolles lag in ihrem bedächtigen Näherkommen.(…)

Sie kam dicht an den Dampfer heran, blieb stehen und wandte uns ihr Gesicht zu. Ihr langer Schatten fiel bis zu dem Rand des Wassers. Ihr Gesicht hatte den tragischen und ungestümen Ausdruck wilden Schmerzes und stummer Pein … Sie sah uns alle an, als hinge ihr Leben von der unerschütterlichen Standhaftigkeit ihres Blickes ab. Plötzlich breitete sie ihre nackten Arme aus und warf sie starr empor, wie in einem unbezähmbaren Verlangen, den Himmel zu berühren … Sie wandte sich langsam ab, schritt weiter, folgte dem Ufer und tauchte im Buschwerk zur Linken unter. Einmal nur blitzten ihre Augen aus der Düsternis des Dickichts zu uns zurück, ehe sie verschwand.

Zu Beginn des Flaubert-Romans strömen Soldaten in den Palast des Herrschers Hamilkar Barkas, der sie bezahlen soll. Dann folgt der Auftritt von Salammbô:

Der Palast wurde schlagartig erleuchtet bis hinauf zur höchsten Terrasse, wo sich in der Mitte eine Tür öffnete und auf der Schwelle eine Frau erschien, die Tochter Hamilkars selbst, von schwarzen Kleidern bedeckt. Sie stieg die erste Treppe hinunter, die sich schräg vor dem ersten Stockwerk hinunterzog, dann die zweite, die dritte, und sie blieb an der untersten Terrasse stehen, oberhalb der Treppe der Galeeren. Unbeweglich und mit gesenktem Kopf betrachtete sie die Soldaten. (…)

SALAMMBO NE[BD].indd.pdfSchließlich ging sie die Galeerentreppe hinunter. Die Priester folgten ihr. Sie näherte sich der Avenue der Zypressen und wanderte langsam an den Tischen der Kapitäne vorüber, die sich etwas zurückzogen, als sie sie vorbeikommen sahen.
Ihre Haare waren mit violettem Sand gepudert, und sie trug sie turmartig, wie es dem Brauch der karthagischen Jungfrauen entsprach und was sie größer erscheinen ließ. Tressen aus Perlen, die an ihren Schläfen befestigt waren, reichten ihr hinunter bis zu den Mundwinkeln, und ihr Mund wirkte wie ein halb geöffneter Granatapfel. Auf ihrer Brust breitete sich ein Behang von leuchtenden Steinen aus, der in seiner Buntscheckigkeit das Schuppenkleid einer Moräne nachahmen sollte. Ihre Arme waren mit Diamanten verziert und ragten aus einer ärmellosen Tunika, deren tiefschwarzer Untergrund mit roten Blumen bestickt war. Zwischen den Knöcheln trug sie ein Goldkettchen, das ihren Schritt regulieren sollte, und ihr langer Mantel aus dunklem Purpur, aus einem unbekannten Stoff gefertigt, bewirkte, dass ihr bei jedem ihrer Schritte eine breite Welle zu folgen schien. (…)

Sie ging weiter mit geneigtem Kopf, und in ihrer rechten Hand trug sie eine kleine Lyra aus Ebenholz.
Sie hörten sie murmeln:
»Tot! Alle tot!«

Zufällig schaute ich in einen Fantasy-Roman von 2004, Der Dornenkönig von Greg Keyes. Auch da tritt am Anfang eine schwarz gekleidete Frau auf, ganz in der Tradition von Flaubert und Conrad:

Er drehte sich um und erblickte sie.
Sie trug eine schwarze Rüstung, und ihr Gesicht darüber war weißer als gebleichte Gebeine. Ihr langes, kastanienbraunes Haar hing herab, durchnässt von dem stinkenden Regen, doch sie war schön, wie keine irdische Frau es sein konnte. Ihre Augen funkelten wie Blitze im Herzen einer schwarzen Wolke. 
Hinter ihr standen ihre Recken, fast genauso gekleidet wie sie; ihre blanken Todesklingen glühten wie heißes Messing. Groß und furchtlos standen sie da. Sie sahen aus wie Götter.   

Ihre Chefin ist Genia Dare, die Geborene Königin.

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