Um den heißen Brei herum

Michael Tymn schrieb am 14. März in seinem Blog darüber, dass es heute nicht gut ankommt, das Jenseits oder den Tod zu erwähnen: Da gibt es Fundamentalisten in Wissenschaft und Religion und auch wohlwollende Bekannte, aber fast keiner will etwas davon hören; und sogar Sympathisanten drücken sich vage aus und drum herum, Stellung zu beziehen. 

011Das ist der Trend der Zeit, und dieser Trend herrscht seit 70 Jahren. Der Philosoph Peter Sloterdijk hat in seinem Buch Weltfremdheit (1985) Sätze geschrieben, die auch heute noch passen, weil die Geschäftsgrundlage sich nicht geändert hat:

Wer könnte leugnen, dass das Medienzeitalter zu einem Triumph der entgeisterten Vitalität geführt hat — orientiert am Leitbild sportlich-musikalischer Grenzdebilität?

Es scheint, als seien die kollektiven Immunsysteme fast völlig metaphysikresistent. 

Ja, es ist erstaunlich: aber man kann anscheinend lange und gut ohne Gott und einen überweltlichen Sinn leben. Die Geschäftswelt spiegelt uns vor, sie verkaufe uns Produkte mit einer Art Seele (die das Transzendente ersetzt): Du kriegst nicht nur eine Hose, eine Flasche Mineralwasser, ein Auto, sondern ein kleines Wunder mit einer Aura und kannst nicht anders als verzaubert sein. So die Werbung. Alles ist angeblich anders als und mehr als, doch dann ist es doch dasselbe, schön schon, aber letztlich bleibt es eine Hose und ein Wasser, und dein Leben ändert sich nicht. So belügen sie dich lautstark rund um die Uhr und schütten dich voll mit verbalem Schrott. Wir sollten uns missbraucht fühlen. Die Werbung durchsetzt auch das Internet immer mehr und drängt sich überall vor. Abstoßend. (Bild unten: gesehen in Frankfurt/Oder, 2015)

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Michael Tymn, der in Hawaii lebende Parapsychologie-Historiker, dazu:

So wie ich es sehe, liegen die Wurzeln des ganzen Chaos‘ und Durcheinanders, also der Verrücktheit in der modernen Welt im Materialismus, wie er von der Unterhaltungs- und Werbe-Industrie sowie von den Massenmedien propagiert wird. Dieser Materialismus hat sich zu einem Hedonismus ausgedehnt, dessen Kern der Nihilismus ist. Mit dem Rückgang der Religion hat das Leben für die meisten Menschen keine Bedeutung mehr. Die Ergebnisse sind Abschied von der Arbeitsethik, zunehmende kulturelle Konflikte, das Streben nach »Spaß« anstatt nach Glücklichsein und der Verlust von Hoffnung — der Hoffnung, die mit der Einsicht kommt, dass diese Welt Teil einer größeren Welt ist: eine Überzeugung, die nichts mit Religion zu tun haben braucht.

Und dann gibt und gab es fortschrittliche Leute, die man respektierte und die auch an ein Weiterleben glaubten, dies aber in ihren Werken verschleierten. Tymn erwähnt den US-Psychologieprofessor William James, den Religionsgründer Teilhard de Chardin und den Philosophen Alfred North Whitehead. Heute wagen es nicht einmal Priester, offen übers Leben nach dem Tod (oder nach dem Leben) zu reden; man hat das Gefühl, auch sie drücken sich herum, wo doch ihre Lehre keinen Zweifel an Hölle/Fegefeuer/Paradies lässt und reichlich Beweismaterial vorliegt!

DSCN4113Sie reden um den heißen Brei herum, würde man bei uns sagen; Tymn schreibt, they beat around the bush. Beides heißt nicht zur Sache kommen, den Hauptgegenstand nicht ansprechen, sich darum drücken. Die Katze schleicht um den heißen Brei herum, weil sie sich nicht traut, sich drauf zu stürzen, und die Jäger schlagen mit Knüppeln außenherum auf die Büsche (beat about the bush), damit das Wild, das möglicherweise sich drinnen versteckt hat, sich erschreckt und herauskommt.

Auch gute Bekannte reagieren mit Sarkasmus oder gar Aggressivität auf unschuldige Bemerkungen meinerseits übers Jenseits. Ich habe 15 Jahre lang fast alles Relevante darüber gelesen und bin ein Fachmann; sie haben absolut nichts gelesen und meinen, sicher zu wissen, dass da nichts mehr kommt. Ja, sogar am Freiburger Psi-Institut ignorierte man das Thema weitgehend, und erst zehn Jahre nach meinem Abschied dort wurde ich auf das Thema Überleben des Todes gestoßen, und seither fühle ich mich besser in meiner Welt.

 

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