Ideale Landschaften

Es gibt einen neuen Science-Fiction-Film mit Tom Cruise. Auf dem Filmplakat steht er vor einer verwüsteten Landschaft. Oblivion heißt der Film, Vergessen. Wie oft doch in solchen Filmen eine leere Welt gezeigt wird nach dem Verschwinden der allermeisten Menschen! Es handelt sich wohl um einen weit verbreiteten Wunschtraum.

Viele Kinder träumen sich in eine Welt hinein, in der es weder nervende Eltern noch mahnende Lehrer gibt, keine schlecht gelaunten Nachbarn und auch keine cholerischen Schulbusfahrer. Ihre Eltern schließen sich in ihre Fahrzeuge ein, ins Reihenhaus, in die Ferienwohnung, ins Wohnzimmer zum Fernsehen.

 

Das Filmplakat hing am S-Bahnhof Lochhausen bei München. Ich fuhr in die Stadt in die Neue Pinakothek und schaute mir Bilder an, vor allem die heroischen, die idealen Landschaften. Carl Rottmann (1797–1850) hat eine Serie von idyllischen, riesigen Bildern aus Griechenland gemalt mit Mondlandschaften, und dann gibt es ältere Ansichten aus Italien mit gigantischen Felsen, Wasserfällen, Buchten und verwilderten Wäldern, in denen winzig klein Menschlein in Grotten oder auf Lichtungen lagern.

 

Vorher, bis 1500, herrschten religiöse Motive vor. Die Natur als solche trat im Bewusstsein des Menschen erst spät in Erscheinung. Erst war sie einfach da, feindlich und abweisend, dann, Mitte des 18. Jahrhunderts, wurde sie erhoben und als Erhabenes verklärt, in Gärten nachgebildet und in Dichtungen gepriesen. Mit »Zurück zur Natur« meinte Jean-Jacques Rousseau aber eine Rückkehr zu einem Idealzustand.  

Dann begann man, die Natur zu erobern. Mit kriegerischen Metaphern ging man den Berg an und drang in die letzten unentdeckten Gegenden der Welt vor, die früher auf den Landkarten weiße Flecken gewesen waren mit der Aufschrift Hic sunt leones (Hier sind Löwen), weil man nichts von ihnen wusste. 

Heute ist die Natur ziemlich ausgeblendet. In Romanen taucht sie kaum mehr auf. Sie ist ein großer Abenteuerspielplatz ohne eigene Identität. Im Science Fiction kehrt man dann wieder zu den heroischen Landschaften zurück. Man führt sie den Zuschauern vor, weil diese sie nicht mehr kennen. Unberührte Landschaften zu finden und zu durchstreifen, verlangt heute Findigkeit, Wagemut und Geduld, die kaum mehr jemand aufbringt.  

 

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