Der dritte Polizist

Ich finde, dass der Roman Der dritte Polizist von Flann O’Brien (das Pseudonym von Brian O’Nolan, 1911-1966) bei manipogo noch nicht genügend gewürdigt wurde. Es ist ein verrückter philosophischer Roman mit einem Knalleffekt am Schluss, den man nicht verraten möchte. Vielleicht beschränken wir uns heute und morgen auf die Fahrrad-Komponente, die für viel Spaß sorgen wird. 

Brian_O'NolanO’Nolan war Beamter der irischen Verwaltung und musste seine Mutter und zehn Geschwister unterstützen. Er war ein guter Beamter, jedoch satirischen Gemüts und dem Alkohol verfallen. Witzige Artikel schrieb er unter Pseudonym für irische Zeitungen. Mit dem dritten Polizist (The third policeman) hatte er wenig Glück: Einige Verleger lehnten das Buch ab, das schon 1940 fertig war. Also blieb es liegen, und O’Nolan hatte das Manukript 26 Jahre in Reichweite, bis zu seinem Tod durch Herzinfarkt am 1. April (wie passend!) 1966. Im Jahr darauf erschien es und wurde bald als Meisterwerk erkannt.

Harry_Rowohlt_2009In Deutschland entdeckte es Harry Rowohlt und übersetzte es 1975; er wurde auch über viele Jahre auf deutschen Bühnen ein kongenialer Vermittler irischer Literatur und besonders O’Briens (O’Nolans), bis er 2015 mit 70 Jahren starb. Rowohlt war Miterbe des großen Verlags, wollte davon aber nichts wissen und übersetzte lieber und hielt manchmal vierstündige Lesungen mit vielfältigen Abschweifungen, gut versorgt mit irischem Whiskey, dem er gut zusprach.

irlandabteiErinnern möchte ich an den Beitrag Zum Pub radeln, an den ich noch manchmal denke. — Zwei große Radrennfahrer kamen von der Grünen Insel: Stephen Roche und Sean Kelly. 1959 in Dublin geboren, gewann Roche 1987 die Tour de France (nur 40 Sekunden vor Pedro Delgado!), den Giro d’Italia und die Straßenweltmeisterschaft. Das schaffte sonst nur einmal Eddy Merckx. Der drei Jahre ältere Kelly aus Waterford gewann von 1984 bis 1992 je zwei Mal Lüttich–Bastogne–Lüttich, Mailand–Sanremo und den Giro di Lombardia. Das nur nebenbei. — 1975 war ich einmal mit einem Freund, der nicht mehr lebt, in Irland. Das Bild links stammt von damals und könnte aus einem Traum sein.

Der Einstiegssatz von Flann O’Briens Roman fetzt schon rein:

Es ist nicht allgemein bekannt, wie ich den alten Philip Mathers umgebracht habe; ich zerschmetterte ihm die Kinnlade mit meinem Spaten. Aber zunächst sollte ich über meine Freundschaft zu John Divney sprechen, denn er war es, der den alten Mathers als erster niederschlug, und zwar mit einem heftigen Hieb in den Nacken, wobei er eine spezielle Luftpumpe verwendete, die er eigenhändig aus einem Eisenrohr hergestellt hatte.

Der Erzähler geht noch einmal zu dem Haus, um die Kassette mit Wertsachen zu bergen — und da sitzt plötzlich Mathers, der eigentlich tot sein sollte, und hält weise Reden. Er schickt ihn zu einem Polizeirevier, da könne er sie finden. Durch seltsame Gegenden kommt er zu einem seltsamen Haus, in dem die Polizisten Pluck und MacCruiskeen Dienst tun. Pluck sitzt hinter der Barriere und fragt:

Is It About a Bicycle? — Geht’s um ein Fahrrad?

Und damit beginnt es, spannend zu werden und noch verrückter, und morgen lesen wir ein paar exquisite Auszüge. Schade, dass das Buch auf Deutsch im Buchhandel nicht mehr erhältlich ist. Auf Englisch kann man’s haben: eine Pointe, die O’Nolan/O’Brien gefallen hätte.

∅ ← Ø

Ich hoffe, in Cremona in der Po-Ebene einige schöne Fahrräder zu sehen und sie zu fotografieren. Sechs Jahre war ich nicht mehr bei den Treffen der IVCA (freilich werden auch sie drei Mal abgesagt worden sein). Nun sind’s noch zwei Wochen bis dahin. Hinterher würde ich gerne mit dem Tourenrad die Adria entlang fahren, dann wird manipogo anders sein, weniger theorielastig, mehr spontan. Man kann nicht beides haben: mit dem Rad umherfahren und sich gedanklich in abseitige, nicht ausgefahrene Themen vertiefen. Am 13. Mai will ich losfahren: mit dem Zug nach Lugano, und dann Richtung Südosten.

 

 

 

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