Heilung durch Augen-Bewegung

Über vergangene Schmerzen zu spechen hilft, siehe die Beichte von vorgestern. Aber ein Trauma verschwindet nicht so einfach. Allan L. Botkin, ein US-Psychologe, hat dafür eine Methode entwickelt, die sich »Auflösung von Traumata und Neuorientierung durch Augen-Bewegung« nennt. Klingt seltsam, hilft aber. 

Das Pendel im Domturm von Cremona schwingt von rechts nach links und zurück ...

Das Pendel im Domturm von Cremona schwingt von rechts nach links und zurück …

Botkin arbeitete mit Vietnam-Veteranen, die schwere Erlebnisse zu verdauen hatten. Sein Patient Sam verhalf ihm 1995 zu einer einzigartigen Erfahrung. Sam hatte das kleine vietnamesisches Mädchen Lee liebgewonnen, das er in die Staaten mitnehmen wollte. Doch dann starb das Mädchen bei einem Angriff, vor seinen Augen. Botkin begann mit seiner Therapie, ließ die Augen des Patienten von links nach rechts und zurück sich bewegen, wobei er sich in die Situation zurückversetzen sollte — und plötzlich war er in einer Szene und sprach mit Lee, die mittlerweile erwachsen war und ihn beruhigte: Es sei nicht seine Schuld gewesen. Fröhlich ging er davon und war von seiner Trauer geheilt.

Das Verfahren heißt auch »Induzierte Nachtod-Kommunikation«, da Gespräche mit Verstorbenen möglich werden; denn oft leiden Menschen darunter, einen lieben Partner oder Verwandten verloren zu haben. Botkin sagte in einem Interview:

»Die zentralen Emotionen sind Trauer und Angst, die oft durch Ärger und Schuldgefühle maskiert werden. Aber nur durch das Reden befreit man sich nicht vom Schmerz; man muss zu den Emotionen vordringen.«

20230522_144636War es etwa eine Halluzination, die Sam erlebte? Er selbst beschrieb sein Erlebnis als »völlig anders als einen Traum«. Es schien völlig echt; er war mitten in der Szene. Allan Botkin erlebte Tausende Fälle, deren Heilung dauerhaft blieb. Manchmal meinte jemand, er habe zwei Minuten die Augen bewegt — doch es waren nur 5 Sekunden. In der anderen Welt herrscht eine andere Zeitform. Manchmal traten auch weitere verstorbene Verwandte auf, und es wurde gesprochen.

Ein Mann wollte mit seinem schwerbehinderten Sohn sprechen, der geheilt schien und ihm darlegte, er lebe in zwei Welten gleichzeitig, es gehe ihm nicht schlecht, sein Vater möge sich keine Sorgen machen. Bisweilen tritt ein Verstorbener, der ein unangenehmer Mensch gewesen war, als gewandelt auf. Botkin meint, das liege möglicherweise an dem Lebensrückblick, den er hinter sich habe; er konnte sehen, was seine Handlungen in anderen bewirkt hatten. Doch dann wollte Botkin in dem Interview sich nicht richtig dazu äußern, ob seine Methode ein Jenseits beweise. Er sei nur ein Psychologe, sagte er, und er fühle sich nur für Heilung zuständig.

Der Patient müsse sich sicher fühlen, wozu das Versuchsprotokoll beitrage. Die Augenbewegung hole alles heraus, und der Psychologe, der nun im Ruhestand ist, meint, es erinnere natürlich an das Pendel des Hypnotiseurs, dem früher die Augen des Probanden folgen sollten, um ihn in Trance zu bringen. So vielversprechend Botkins Methode auch ist: Es gelang nicht, sie in den Klinikalltag einzubauen, und weitere wissenschaftliche Durchleuchtungen blieben aus.

Dennoch sind viele Filialen in vielen Ländern entstanden. In Deutschland gibt es neuerdings in Saarbrücken ein Allan Botkin Institut.

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