Hinter den Schleiern: Jenseitsforschung (V)

Nun kommt der grandiose Schlusspunkt: Mentalmedien und die Home Circles. Am Ende, im letzten Satz, steht meine Widmung und mein Dank: an die unermüdliche Forscherinnen und Forscher, die alles über das Leben nach dem Tod herausfinden wollten, wunderbare Bücher geschrieben haben, die aber meist vergessen sind, und dann muss man hören, wie Leute sagen: »Ach, man weiß ja nichts.«

Wenn uns ein Mentalmedium bei einer Séance Informationen von Verstorbenen gibt, würden wir gerne wissen, ob sie (die Informationen) tatsächlich aus dem Jenseits stammen. Schon vor 100 Jahren gingen neugierige Parapsychologen diese Probleme mit Einfallsreichtum an. Damals gab es sehr begabte Medien.  

Leonora Piper (1857-1950) war eine von diesen. Ihre Gaben bekehrten auch den skeptischen Richard Hodgson. Der 1855 geborene Engländer war von 1887 bis 1905  Generalsekretär der American Society for Psychical Research (ASPR). Begeistert von den Durchgaben aus dem Jenseits, soll Hodgson 1904 ausgerufen haben: »O Gott! Ich kann es kaum erwarten zu sterben!« Im Jahr darauf, am 20. Dezember 1905, ging es auch schon auf die große Reise. Schon eine Woche danach und in einer Reihe von Séancen, die der Psychologieprofessor William James beaufsichtigte, meldete sich Hodgson mit zahlreichen präzisen Beweisen seiner Identität.   

Unter anderem sagte sein »Control« – der jenseitige Moderator, der seine Worte weitergab – dem Trance-Medium, er hätte in Chicago einer Frau einen Antrag gemacht, der jedoch abgelehnt worden sei. »Niemand Lebender konnte das wissen … Ich mochte sie sehr. Ich machte ihr einen Antrag, aber sie wies mich zurück«, äußerte er. Ihr Name wurde als Miss Ella Huldah Densmore angegeben. William James erinnerte sich an sie, suchte sie auf, und sie bestätigte ihm das Vorgefallene. Wenn man Freunde Hodgsons sprach, nannten diese zwar Namen von Kandidatinnen, Miss Densmores Name war aber nicht darunter. Anscheinend hatte sie nur einer Freundin davon erzählt, und auch die Information kam von drüben. Ein überzeugender Beleg.  

Reverend Charles Drayton Thomas (1867‑1953) überprüfte elf Jahre lang akribisch mit Hilfe des Trancemediums Gladys Osborne Leonard (1882-1968) angebliche Durchgaben von seinem Vater und seiner Schwester Etta (1920 gestorben). Drayton Thomas’ Buch Life Beyond Death with Evidence, 1928 erschienen, muss den größten Skeptiker zufriedenstellen. »Unser Leben ist ein wunderbares«, teilt Vater John D. Thomas mit. »Ich würde nicht gern zurückgehen. Sieh den Tod als eine Öffnung an, nicht als eine geschlossene Tür.« 

Ein weiterer »ungläubiger Thomas«, der Schulinspektor John F. Thomas aus Detroit, ging nach dem Tod seiner Frau Ethel im April 1926 zu dem Medium Mrs. Minnie Minerva Soule in Boston (sie ließ sich auch Mrs. Chenoweth nennen). Er erhr allerlei Interessantes über seine Mutter (1921 verstorben) und seinen Vater (1914). Nun beschloss er, die Sache wissenschaftlich anzugehen. Er stellte sich Regeln: alle Sitzungen in großer Entfernung von seinem Heim abzuhalten; Medien auszuwählen, die seine Frau nicht gekannt hatten; einige Sitzungen zu veranstalten, ohne seinen Namen preiszugeben; nie dem Medium Informationen zu geben oder nur gelegentlich; manche Sitzungen von einem Bekannten durchführen zu lassen (»proxy sittings«), der sein Privatleben nicht kannte; alle Sitzungen genau zu protokollieren.   

John F. Thomas hatte 1929 schon 1500 Seiten aufgeschrieben, die er zu seinem Case Studies Bearing upon Survival (1929, Society for Psychical Research, Boston) zusammenfasste. Er gab jeder Information einen Punkt und hatte 1929  genau 1908 Punkte gesammelt, von denen 1720 untersucht werden konnten. 1587 Informationen wurden bestätigt, was einem Prozentsatz von 83,2 entsprach.  

Wenn Mentalmedien in Trance sind, spricht eine andere Wesenheit aus ihnen, wobei es sich auch um eine Teilpersönlichkeit des Mediums handeln könnte. Die genaue Überprüfung der Informationen kann das ausschließen, und Bekannte des Verstorbenen können einschätzen, inwieweit er »authentisch« wirkt, jedoch kann es bei der Übermittlung zu Verzerrungen kommen. Der Engländer Hornell Hart, der an ein Weiterleben glaubte, gab zu bedenken, unbewusst könnten Medium und Teilnehmer an einer Sitzung die kommunizierende Wesenheit dramatisch mitgestalten. Und überhaupt wüssten wir nicht, ob nicht fremde Geister sich den Kontakt zunutze machten.  

Die Home Circles

Nun nähern wir uns dem Höhepunkt und Schlusspunkt. Materialisationen bei Séancen sind das Unglaublichste überhaupt und beanspruchen die  Glaubensbereitschaft des einzelnen am stärksten. Zwischen ihnen und den mentalen Durchgaben liegen die Direktstimmen 

In England gab es kleine Home Circles, bei denen sich ein paar Menschen im privaten Kreis trafen, um mit Verwandten im Jenseits zu plaudern. Man sieht sich ja so selten.  Zwei Welten trafen sich: alle acht Wochen bei Mrs. Lang und Mrs. Bowes in Glasgow. Arthur Findlay (1883–1964) hat in seinem Buch Where Two Worlds Meet auf 600 Seiten 19 Sitzungen der Gruppe um das Medium John Campbell Sloan von 1942 bis 1945 wiedergegeben. Kurz zuvor war Sloan 82-jährig gestorben. Bei jeder Sitzung meldeten sich etwa 40 Stimmen, und zehn Teilnehmer plus das Medium waren Zeugen. Alles wurde genau protokolliert.   

Der Schotte Sloan wollte mithelfen, dass Menschen hier mit ihren verstorbenen Angehörigen drüben sprechen konnten. Das Buch mit den Protokollen liest sich rührend und wirkt wie ein Kaffeekränzchen im Dunkeln, bei dem ein Teil der Gesprächspartner nur mit seinen Stimmen anwesend ist. Allmählich begreift man auch die Verwandtschaftbeziehungen, und es melden sich Väter und Großväter, Mütter und Söhne, Ehemänner und alte Freunde. Und alle von »drüben« sind liebevoll und höflich wie eben bei einem Treffen unter Freunden.  

Miss Jean Dearie stenografierte bei den Sitzungen in der Dunkelheit mit. Oft gab es  Gelächter, hier und drüben. Wobei »drüben« eigentlich falsch ist, denn die teuren Verstorbenen waren ja unsichtbar hier im Raum und sprachen und fühlten sich wohl.

John Sloan war ein Direktstimmenmedium, und wenn er dabeisaß, meldeten sich die körperlosen Wesen zu Wort. Er bekam alles mit. Selten taucht einmal ein Licht auf, oder eine materialisierte Hand berührt einen Teilnehmer.  

Ein Jahr nach dem letzten uns überlieferten Treffen um John Sloan, am 6. April 1946 um halb neun, saß zum ersten Mal der Saturday Night Club um das Medium Minnie Harrison zusammen. Schauplatz war das Heim der Familie Harrison in Middlesbrough 250 Kilometer südöstlich von Glasgow, an der englischen Ostküste gelegen. Der Club traf sich immer Samstag abend, und sie waren meist zu acht, von denen vier zur Familie Harrison gehörten. 

2008 erschien eine Neuauflage des Buches Life after Death: Living Proof von Tom Harrison mit der Widmung »Danke Mam, für die liebende Fürsorge, die du uns und vielen anderen angedeihen hast lassen«. 1946 begannen die wöchentlichen Treffen – im Dezember 1946 wurde schon Nummer 32 registriert ‑, die erst elf Jahre später ein Ende fanden, da Minnie Harrison schwer erkrankte und 1958 starb. Minnie war ein großes Medium und konnte mit ihrem Ektoplasma verstorbenen Verwandten zeitweilig, für einen Auftritt, zu einem Körper verhelfen.

Tom Harrison weiß, dass die Geschichte der Materialisationen von Aunt Aggie und Uncle Harold unfassbar ist und bereitet seine Leser so darauf vor: »Dies ist eine Geschichte, die fast zu unglaublich ist, um erzählt werden zu können. Alle Ihre Sinne werden sich weigern, sie zu glauben. Sie werden gebeten, zu akzeptieren, dass Menschen von den Toten zurückkehren – nicht als flüchtige vorbeigehende Visionen in der Vorstellung von irgendjemandem, nicht einmal als neblige transparente Gespenster oder Geister. Sie kehrten zurück in völlig funktionierenden, warmen, mit Herzschlag versorgten physischen Körpern. Sie kehrten zurück und sprachen mit denselben Stimmen, die wir erkannten.« (Ich habe das Buch dann ganz übersetzt, und bei Amazon liegt es vor, Leben nach dem Tod: der schlüssige Beweis.)

All dies sind Phänomene des Menschen, Phänomene des Bewusstseins. Sollte in den kommenden Jahren das Bewusstsein tatsächlich näher erforscht werden, sollte man die Erfahrungen und Erlebnisse aus fast 130 Jahren Parapsychologie nicht ignorieren; schließlich hat auch die Neurologie am meisten aus Anomalien gelernt: von Menschen, deren Gehirn anders arbeitete oder beeinträchtigt war. Viele Frauen und Männer haben ihr Leben der Erforschung von Psi-Phänomenen gewidmet. So ist unter Opfern ein beachtlicher Korpus an Wissen entstanden, der nun dasteht, unverrückbar.      

 

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