Griff statt Klick

Ich wollte die CD Inno von Gianna Nannini. In Freiburg gibt’s keinen guten CD-Laden mehr, heute lassen sich die Leute CDs von Amazon schicken. Aber ich wusste, hinter dem Zürcher Fraumünster und in Sichtweite zu See gibt’s noch eine alte riesige Musikalienhandlung mit Jazz sogar. Ich fand den Namen Nannini, und ein Griff: Da war die CD. 29,90 Franken. Griff statt Klick, das ist besser; fand der sympathische Verkäufer auch.

Ziel der Konsumgesellschaft ist höchste Effizienz. Blitzschnelle Lieferung. Alle Wünsche werden uns von den Augen abgelesen und gleich erfüllt. Den Kunden immer besser bedienen: Ist das nicht ein Ziel für eine Gesellschaft, die vom Waren- und Geldumschlag lebt? Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, das ist ja längst verwirklicht. (Darum wirken die SPD-Plakate so seltsam: keine Armut im Alter wünscht sich das propere Paar. Armut, das ist wohl das Schlimmste.) 

Die Post-Postmoderne schraubt noch ein bisschen herum, dass alles reibungslos läuft und die Leute Zeit für die echt wichtigen Sachen haben. Darum lässt man öde Tätigkeiten von Maschinen erledigen und schickt die Leute heim. Dann können sie sich besser verwirklichen. 

Die Leute sind selig materialistisch und wollen ihren Alltag perfekt gestalten. Da wird dann hin- und her überlegt, wie man was richtig macht, und jede Handbewegung wird zum Problem. Der Umgang mit der Materie stellt Anforderungen. Die vielen vielen Produkte, bio und fairtrade, und ist das auch gesund? Alles ist moralisch aufgeladen, du wirfst eine Alubüchse in den Hausmüll und hast Schuldgefühle wie ein bayerischer Bauer oder eine Frau im Mittelalter, die vor der Messe irrtümlich einen Schluck Milch getrunken haben, also nicht mehr nüchtern sind, die Heilige Kommunion nicht zu sich nehmen können, und was sagen die Nachbarn, wenn du im Bänklein sitzen bleibst? 

Alles ist mit Bedeutung aufgeladen, und es ist schwer, etwas einfach so oder irgendwie zu tun. Jeder hat ein Motiv. Kreuzen sie das ihre an. Ich kreuze an: Seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt (Günter Eich). Was passiert, ist, dass nichts passiert. (Puschkin) Und: Kunst muss Unordnung in die Ordnung tragen. (Mehrere Autoren: Dürr, Nietzsche). Das Chaos ist produktiver und beredter als alles andere.

Ein Kommentar zu “Griff statt Klick”

  1. Renate Frank

    ja, alles und immer und sofort. weil die „jagd“ und die vorfreude ausfallen, ist kaum noch etwas besonders … und was heißt da dann armut? manche haben wenig und es reicht ihnen. andere haben alles und doch gar nix…