Die Lady am Lift

Zum Abschluss des Monats noch ein Artikel über Psi, der viel Wissenswertes enthält. Der Aufhänger ist eine meiner Lieblingsgeschichten, erschienen heute vor 122 Jahren in der Zeitung Boston Budget. Eine Frau will in ihrem Hotel im Lift nach unten fahren.   

 

 

Der Korridor eines der oberen Stockwerke lag im fahlen Licht, als die Frau die Glocke läutete, um den Aufzug zu rufen. Sie vertritt sich etwas die Beine, dann hört sie den Aufzug, sieht die Tür offen stehen und will schon eintreten – da verstellt ihr plötzlich ein Mann den Weg. Sie zieht sich etwas zurück, und nun erst trifft der erleuchtete Aufzug ein, und die obere Tür ist immer noch offen, was sie nicht sein sollte. Ohne den Mann wäre sie blindlings in den Liftschacht gestürzt. Er ist aber spurlos verschwunden. Das ist die Geschichte der »Lady at the Lift«, die leider kurzsichtig ist, wie sie zugibt. Aber sie erzählte, der Mann sei plötzlich fort gewesen. Glauben wir ihr. 

Erschienen ist der Bericht in den Proceedings of the Society for Psychical Research (8. Heft, 1892) im Rahmen des Beitrags The Subliminal Consciousness (etwa: das unterschwellige Bewusstsein). Der Autor ist Frederick William Henry Myers (1843-1901), einer der bedeutendsten Forscher der großen Society for Psychical Research. Er diskutiert den Fall auf 20 Zeilen und bemerkt, die am wenigsten wunderliche Interpretation sei, das unterschwellige Selbst von Mrs A. B. habe den offenen Schacht gewusst und eine halluzinatorische Gestalt erschaffen, um sich vor dem Todessturz zu bewahren. Sie müsste damit aus einem »verborgenen Speicher« eine lebensähnliche Figur in ihre Umgebung projiziert haben: »Und dieser Punkt ist meinen Lesern vermutlich allzu vertraut, so dass ich nicht weiter darauf herumreiten muss.«   

Für ein Buch, das dann nie erschien, leitete ich mit diesem Fall das Kapitel Spontanphänomene ein. Wen es interessiert, der kann weiterlesen. Morgen sollte ich wieder in der manipogo-Bodenstation eintreffen, dann kümmern wir uns um den September. 

Spontanphänomene

Es handelt es sich hier um eine spontane paranormale Erfahrung. Para ist griechisch und heißt etwa neben; wir haben es mit Erfahrungen außerhalb der Norm zu tun. Die erste Vereinigung, die gründlich solche Erlebnisse untersuchte, war die Society for Psychical Research in London, die am 20. Februar 1882 gegründet wurde. Die Begründer sprachen von psychic research und wollten »unerklärlich scheinende Fähigkeiten des Menschen« erforschen. 

1851 hatte sich schon die Cambridge Ghost Society britisch-seriös der Geistes- und Geisterwelt auf die Spur geheftet, und 1867 folgte ihr  die London Dialectical Society. (Irgendwann werde ich auch über die deutsche Zeitschrift Magikon schreiben, die Justinus Kerner von 1840 bis 1853 in Weinsberg herausgab als Archiv für Beobachtungen aus dem Gebiet der Geisterkunde und des magnetischen und magischen Lebens.)  

Titel eines Dessoir-Aufsatzes in der Zeitschrift „Sphinx“, Juni 1889

Am ehesten hatten die unerklärten Geschichten mit Psychologie zu tun, dachte man, und so kam der deutsche Gelehrte Max Dessoir 1889 auf den Begriff Parapsychologie. Dieser setzte sich durch, auch wenn viele mit ihm unglücklich sind. Der österreichische Professor Pater Andreas Resch schlug Paranormologie vor; da steckt das Paranormale drin und der Logos (das Wort), aber es blieb ein Ausdruck für eine Minderheit in der Minderheit. In seinem Lexikon der Paranormologie hat Professor Resch unser weites Feld meisterhaft abgesteckt.  

Erst 50 Jahre nach Dessoir führte der britische Psychologe Robert H. Thouless Psi als Kurzformel ein. Psi ist der 26. Buchstabe des griechischen Alphabets, der vorletzte vor dem Omega. Dass ψ in der Physik die Wellenfunktion eines Quantenteilchens bezeichnet, störte nicht weiter. Albert Einstein bezeichnete die physikalische Psi-Funktion sogar einmal als »Gespensterfeld«. Der schottische Parapsychologie-Historiker John Beloff lobte, Psi sei der »am wenigsten fragwürdige Begriff«, um eine paranormale Wirkung zu kennzeichnen; Parapsychologie sei das Studium der Psi-Phänomene. (Der Essay geht noch weiter und wird zu gegebener Zeit fortgesetzt.)

 

 

 

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