Saiten des Lebens

In Landsberg am Lech gibt es eine ambitionierte Kunstfilm-Reihe, die Kurt Tykwer ins Leben gerufen hat und die ich schon erwähnt habe. Ein ausgezeichnetes Programm, und vor dem jeweiligen Film gibt Tykwer immer eine kurze Begrüßung. Zuletzt sah ich Saiten des Lebens, einen amerikanischen Film von 2012. Hervorragend.

Da geht es um ein klassisches Quartett (2 Geigen, Bratsche, Cello), bestehend aus Daniel, Peter, Robert und Juliette. Doch Peter (Christopher Walken), 70-jährig, hat Probleme. Bei ihm wurde die Parkinson-Krankheit diagnostiziert. Nun brechen Konflikte auf: Robert (Philipp Seymour Hoffman) will nicht immer nur die zweite Geige spielen, sondern auch mal die erste. Nach einem Seitensprung erhält er von seiner Gattin Juliette die rote Karte: Platzverweis. Zu allem Überfluss fangen Daniel (erste Geige) und die Tochter von Juliette und Robert, Alexandra, eine Affäre an.  Inhalt genauer: hier.

Es ist ein fesselnder Film von hohem Niveau, bei dem die Zeit wie im Flug vergeht. Am Ende herrscht wieder allgemeines Wohlgefallen, und wir erleben eine rührende Schlussszene. Eigentlich will man den Film, der im Original The Late Quartet heißt, uneingeschränkt loben, aber dann überlegt man und findet doch Schwächen. Natürlich muss viel passieren und am Ende alles gut ausgehen. Sex soll natürlich auch vorkommen, klar, das will der Zuschauer.  

Dass die attraktive Flamenco-Tänzerin gerade auf den unauffälligen Robert (auch sein Darsteller ist durch Nebenrollen bekannt geworden) verfällt und seine Darbietung im Bett lobt, ist leicht unwahrscheinlich, aber nicht ganz unmöglich. Sie will dann mehr, und Robert meint, natürlich gehe das nicht, und plötzlich taucht seine Frau Juliette auf und die Krise bricht aus. Die Tänzerin geht ab und … ward nie mehr gesehen. Da merkt man, dass sie nur eine Komparsin war, eingebaut, um der Geschichte einen dramatischen Anstrich zu geben.  

Peter beschwört Daniel, die junge Alexandra zu verlassen, um das Quartett nicht zu gefährden. Daniel lehnt ab. Nun hätte es spannend werden können: Wie geht es weiter? Eine interessante Konstellation. Die Drehbuchautoren (Regisseur Yaron Zilberman und Seth Grossmann) aber wollten den schönen Schluss; also sagt Alexandra plötzlich zu Daniel, er sei zwar ein toller Mann, aber die Affäre sei vorbei. Eine Erklärung liefert sie nicht. So wäre alles glücklich gelöst, Daniel trauert, das Quartett spielt weiter, und für Peter wird ein guter Ersatz gefunden.  

So kurzweilig der Film auch war: Solche Handlungselemente verärgern mich. Wenn ich spüre, dass die Geschichte vergewaltigt wird, nur um zu einem guten Ende zu kommen, weiß ich wieder, warum ich nicht mehr oft ins Kino gehe. Das Ende ist schon ausgemacht, eine Überraschung ist nicht möglich: alles eine große Manipulation. Trotzdem ist Saiten des Lebens für einen amerikanischen Film geradezu intellektuell und steht turmhoch über allem, was man sonst im Kino sehen kann.

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