Unwichtige Dinge

Dieses Wochenende ist Bestsellerautor Neale Donald Walsch in Salzburg bei der Konferenz I CAN DO IT!, so ein amerikanisches Heilsbringer-Ding. Das (etwas blöde) Motto: »98 Prozent der Weltbevölkerung verbringen 98 Prozent ihrer Zeit mit unwichtigen Dingen – und was machst du?«

Aber da sollte man wieder auf den Fernsehkonsum hinweisen. Nach einer neueren Studie, die unlängst auf La Repubblica veröffentlicht wurde, haben es die Italiener hinter den Amerikanern auf Platz zwei geschafft: 4 Stunden 34 Minuten. Das ist der tägliche Durchschnitts-Konsum. Ich kann den Text nun nicht wieder finden, aber Deutschland dürfte so bei 4 Stunden liegen, die Niederlande bei 3:30. Muss man da sagen: bravo?  

Jemand kommt also von der Arbeit heim, bekommt von der Frau sein Abendessen, und dann setzt er sich um 20 Uhr zu den Nachrichten hin und steht um 0.30 Uhr wieder auf und wankt zu Bett. Vermutlich steht der arbeitende Mensch am Tag eine Stunde mit dem Auto im Stau, und die durchschnittliche Zeit, die beim Lesen eines Buchs verbracht wird, liegt, wenn ich mich recht erinnere, bei 10 Minuten (Zeitung: 30 Minuten). So verballern die Leute ihre Lebenszeit.  

 

Albanisches Wohnzimmer, 1970-er Jahre (aus einer Ausstellung, Aug. 2012)

 

Wenn die Inhalte wenigstens gut wären! Aber es sind Spieleshows, zweitrangige Krimis, öde Diskussionen oder Galas, die, wie oft in Italien, sich endlos ausdehnen mit Ehrengästen, gegenseitiger Beweihräucherung, mit da einem Liedchen, dort einem Spässchen und dem triumphalen Abschlussbild. Bei der Gala auf Raiuno ist Italien noch eine große Familie.

In Deutschland lag der Konsum im Jahr 1988 bei zweieinhalb Stunden, 2002 waren dreieinhalb Stunden erreicht, und 2012 waren es vier Stunden. Im vergangenen Jahr sank er erstmals: um sechs Minuten. Aber der Bundesbürger sitzt im Jahr 70 ganze Tage ausschließlich vor dem Fernsehschirm, länger als er im Urlaub weilt.  

Wenn ich 70 Tage lang im Jahr mich einer Disziplin widme, kann ich etwa die Quantenphysik begreifen, mir die Grundzüge der arabischen Sprache aneignen, die „Göttliche Komödie“ von Dante auswendig lernen oder Bäckerei-Fachverkäufer werden. In 70 Tagen kann ich mit dem Rad mit 100 Kilometern am Tag recht gemütlich vom Nordkap nach Sizilien fahren und zurück. Ich kann einen Roman schreiben. Was bleibt von 70 Tagen Fernsehen

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.