Die Tagespresse

Auf der Buchmesse standen überall junge Menschen und wollen einen mit Angeboten für die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, die NZZ und die Frankfurter Allgemeine gewinnen. Spontan überkam mich Widerwillen. Die Zeitungen zementieren die Welt und spielen sich als souveräne Schiedsrichter auf, und souveräne Journalisten erklären dir die Welt. Als ob sie so leicht erklärbar wäre.

In den Zeitungen steht so viel, und überall sind Bücher, überall Meinungen und Fakten und Dinge und Details, man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Da herrscht Routine, und ich denke an die Auslandsberichterstattung. Da liest man in der Welt über Rumänien und in der Neuen Zürcher Zeitung über Bulgarien, und da geht es nur um die verwickelten Interaktionen der Parteien und Politiker.   

Da erfahre ich nichts über das Land, sondern nur über Machenschaften, die genauso ablaufen wie im Westen. Das kann man vergessen. In den großen Zeitungen wird die Politik angebetet, die Journalisten hängen im Netz der Machtkonstellation fest, und das Hin und Her der Parteien in den Parlamenten ersetzt ihnen die Außenwelt. Von Rumänien und Bulgarien möchte ich andere Dinge wissen als das, was mir vorgesetzt wird.

 

Aber das ist seit Jahrzehnten so und wird sich so schnell nicht ändern. Trotz aller Globalisierung will der Mensch das Vertraute, das einem bekannte Protagonisten und die heimische Sprache bieten. Darum war es in den Hallen 3.1 und 4.1 so voll und in den Hallen 5.0 und 5.1, wo die internationalen Verlage sitzen, so leer. Die verschiedenen Welten leben so nebeneinander her, und ich fühlte mich im Ausland (5.0 und 5.1) auch fremd, und niemand lud mich ein oder richtete das Wort an mich.   

Die Millionen Romane bilden ja auch Privatwelten ab, und jeder Roman ist interessant und keiner ist es. Alle diese Menschen auf der Messe strömen durcheinander, jeder sucht etwas, und jeder sucht eigentlich Erlösung, ohne es zu wissen, und wenn jeder einzelne sein Bewusstsein erweitert haben und die Erlösung gefunden haben wird, wird diese Welt einen Schritt vorwärts gemacht haben.

 

Irgendwo las ich das: Im Osten und in den alten Kulturen ging es um das Individuum und um seine Stellung im Kosmos, doch im Westen richtete man sein Augenmerk auf das Kulturelle und das Gesellschaftliche. Literatur kann dem einzelnen etwas geben, und dadurch verändert sich die Welt. So hat das Krishnamurti gesehen, und das glaube ich auch.

Ein Kommentar zu “Die Tagespresse”

  1. Regina

    Lieber Manfred,

    ja, die vielen schönen Sätze, die ja jeder für sich selber entdecken kann, das find ich wunderbar!! … Lyrik ist die höchste Form sprachlichen Ausdrucks „uns muss die Lyrik retten“, sagte Brodsky.

    viele Grüße Regina