Woran glauben?

Das Bayerische Fernsehen sorgt sich um den Sinn und die Suche danach. Darum wurde ein Blog gegründet, an dem sich Zuschauerinnen und Zuschauer beteiligen können. Woran glauben heißt er, also nicht Woran glaube ich? Untertitel Götter, Quanten, Wirtschaftswachstum. Da kann man hinschreiben und bekunden, woran man glaubt.

Kürzlich mit meiner Nichte Franziska gesprochen, die in Berlin lebt und sagt: Die glauben an nichts. (Ich fahre morgen nach Berlin.) Für uns aus Süddeutschland ist das schwer nachvollziehbar. Übrigens hatte ich ungefähr vor einem Jahr schon einen Beitrag darüber, nachdem ich in Schwerin gewesen war, wo die Bewohner zu 90 Prozent Atheisten sind. (Vor sechs Wochen traf ich einen Schweriner mit Wohnwagen auf dem Campingplatz Marseillan-Plage. Er schaute immer in seinen Laptop, würzte seine Rede mit diversen sexuellen Anspielungen und hatte sonst nur Angst vor Strafe: Überall fürchtete er den Arm des Gesetzes. Vielleicht glaubt der an den strafenden Gott des Alten Testaments, der vor zwei Tagen Thema war?) 

Und ich dachte auch an das Buch What to Believe? von Anne Skjønsberg, das in die Ursprünge aller Religionen einführt und paranormale Phänomene diskutiert, die Aussagen von Mysterikern heranzieht und schon eine gute Diskussionsgrundlage liefert, aber das liest ja kein Mensch. Woher sollen schon die Grundlagen kommen, wenn es keinen Religionsunterricht mehr gibt und das Fernsehen nur den Glauben an die Wirtschaft, die Wissenschaft und Konsumgüter vermittelt?  

Ich bin ratlos. Anscheinend kann man leben, ohne einen Schöpfer zu glauben, an einen Geist in allen Dingen, an ein Leben nach dem Tod. Niemand muss an etwas glauben. Da fiel mir das Wort Eupraxie ein, das aber falsch war, sondern Europraxophie hieß und auf den dazu gehörigen Buchtitel: Leben ohne Religion (1993) von Paul Kurtz (1925-2012) verwies. Und dann fand ich noch ein Projekt des Erzbistums Köln: Ohne Gott leben? Wie geht das?   

»Man müsste Gulliver fragen:« meint Günter Eich. »Wie lebt man ohne Verzweiflung? / Er ist bei den Zwergen gewesen / und bei den Riesen. / Er findet die Welt möglich. / Eine Frage der Statur? / Oder des Unterdrucks? / Man müsste ihn fragen, / ihn oder Dornröschen.«  

 

 

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