Celestine

1995 veröffentlichte der Amerikaner James Redfield Die Prophezeiungen von Celestine, und es wurde, wie es irgendwo hieß, das erfolgreichste selbst veröffentlichte Buch aller Zeiten. »Alle mussten das damals lesen«, meinte meine Buchhändlerin. Fast zwanzig Jahre später habe ich das nachgeholt. Große Enttäuschung.

Vorher hatte es ja die rund zehn Bücher von Carlos Castaneda (1925-1998) gegeben über seine Erfahrungen mit dem vermutlich fiktiven Schamanen Don Juan. Das waren in den 1970-er und 1980-er Jahren echte Kultbücher, und geschildert wurden erregende Psychopraktiken, mit denen man sein Bewusstsein erweitern konnte. Leider habe ich sie nie gelesen. Und leider habe ich jetzt Redfields Werk gelesen, und das ist so enttäuschend, wie die 1990-er Jahre es im Vergleich zu den Jahrzehnten davor intellektuell waren.  

Jetzt versteht man kaum mehr, wie diese simpel gestrickte Geschichte ein Weltbestseller werden konnte. Der Ich-Erzähler trifft eine Frau und erfährt von einem geheimnisvollen Manuskript, in dem es um neun Erkenntnisse geht, die die Welt voranbringen sollen. Zu finden sind sie in Peru, er fliegt hin, und dann läuft eine verwegene Handlung ab, die einem Western gleicht, eine Kolportage, nicht wert, genau geschildert zu werden.  

Die Kirche kämpft gegen das Manuskript, und dann gibt es böse Peruaner, die das Manuskript zerstören wollen, in deren ersten acht Erkenntnissen es um Energie geht und die Beziehungen zwischen Menschen. Der Erzähler lernt Marjorie kennen, es wird erotisch, aber leider ist der Erzähler so langweilig, dass man ihm Marjorie gar nicht wünscht. Er soll eigentlich verschwinden, wünscht man sich. Kann man ihn nicht in Peru ins Gefängnis stecken? Es passiert, leider kommt er wieder frei und erzählt weiter.  

Am interessantesten ist noch die neunte Erkenntnis. Julia (eine der vielen Frauen, die vorkommen, neben vielen Patres und Professoren, die alle blass und belanglos bleiben) sagt: »Gruppen von Leuten, die einen bestimmten Level erreicht haben, werden für jene, die sich noch auf einem der unteren Level befinden, unsichtbar werden.« Damit haben sie begonnen, »die Barriere zwischen diesem Leben und der anderen Welt zu überqueren, jener Welt, aus der wir kommen und in die wir nach unserem Tode wieder eintreten werden.«  

So etwas sagt etwa Frau P. H. Atwater, eine Expertin für Nahtoderfahrungen, die der Ansicht ist, die zunehmenden diesbezüglichen Erfahrungen seien eine Erweiterung des Bewusstseins auf breiter Ebene. James Redfield hat dann noch ein Buch mit der zehnten Erkenntnis geschrieben, um Leute als Käufer zu gewinnen, die unbedingt wissen wollen, was darin steht (und bestimmt enttäuscht wurden). Gespräche mit Gott ist ja auch so ein amerikanischer Bestseller, von dem ich nur einige Sätze gelesen habe und wenig halte. Diese Bücher stoßen in die Lücke, die die Religionen gelassen haben. Man liest sie und legt sie wieder weg.

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