Elinor Wylie

In dem Buch über den Geist von Flug 401 hat John G. Fuller eine anrührende Geschichte. Er war in die MacDowell Colony gezogen, wo 30 andere Autoren in der Abgeschiedenheit Bücher schrieben. Nun hieß es, dort spuke es. Ein paar Autoren unternahmen einen Versuch mit dem Ouija-Board, bei dem man ein umgedrehtes Glas, das man mit den Fingern leicht berührt, über die Buchstaben eines Alphabets gleiten lässt. Bald meldete sich jemand.

Man fragt den Geist, was seine Beschäftigung war. POET. Der Name? E. W. Wann war sie hier? 1925 1926 1927. Gleich begab sich Fuller dorthin, wo kleine Tafeln die Ex-Besucher vorstellen. E. W. konnte nur Elinor Wylie bedeuten. Ob sie reden wolle? YES IF YOU BLOW OUT THE LIGHTS. Fuller schrieb die Buchstaben auf, da es ziemlich schnell ging. Sie sollten also das Licht kleiner drehen. Ob sie den Titel eines Werks nennen könne? HELP ME. Niemand kannte dieses Werk. Sei es ein Titel oder etwas, das sie brauche? SOMETHING NEED. Alle fühlten sich erbärmlich und fingen auch an zu frieren. Was sie tun könnten, um ihr zu helfen? HELP ME GET RID OF MY PAST. (Helft mir, meine Vergangenheit loszuwerden.) Die Kälte nahm zu. Zwei Teilnehmer standen auf und drehten das Licht an. Sie hatten genug.  

Armer Geist. Niemand half ihm (oder ihr). Anscheinend verfolgen die irdischen Abenteuer manche Verstorbene auch Jahrzehnte, denn die Séance fand ja 1975 statt, also 50 Jahre nach Wylies Aufenthalt. Das habe ich schon öfter gelesen: Dass Geister sich manchmal nicht von ihrem Vorleben befreien können. Da muss wohl ein gütiger Engel vorbeikommen.  

Dann schaute ich in der amerikanischen Wikipedia unter Elinor Wylie nach. Geboren im September 1885, gestorben 16. Dezember 1928, erst 43 Jahre alt. Sie war zart und sehr schön und schrieb melodiöse Gedichte. In der Gesellschaft verursachten ihre Affären und Ehen Skandale. Erst heiratete sie 1906 den etwas labilen Philipp Simmon Hichborn, von dem sie ein Kind hatte. Ihr Mann nahm sich 1910 das Leben.  

Der Anwalt Horace Wiley stellte Elinor nach, obwohl er Frau und drei Kinder hatte und 17 Jahre älter war als sie. Ende 1910 zog sie mit ihm zusammen. Als sie endlich 1916 heirateten, war die Beziehung schon wieder am Zerfallen. Elinor trieb sich in Künstlerkreisen in New York City herum, lernte John Dos Passos und Sinclair Lewis kennen und heiratete 1923 dann William Benét. Als ihr dritter Gedichtband herauskam, hatten die beiden sich jedoch auseinandergelebt.  

Sie zog nach England und verliebte sich in Henry de Clifford Woodhouse, dem sie 19 Sonette schrieb, die sie 1928 unter dem Titel Angels and Earthly Creatures (Engel und irdische Kreaturen) veröffentlichte. Als sie vor Weihnachten zusammen mit ihrem Geliebten de Clifford Woodhouse an diesem Buch arbeitete, um es nächstes Jahr neu herauszubringen, traf die noch junge Frau tödlich der Schlag.  

Ein schweres, chaotisches Leben. Könnte man verstehen, dass sie ein neues Kapitel aufschlagen will. Hoffentlich hat jemand mittlerweile Elinor Wylie helfen können.

 

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