Letzte Worte

Als ich in Berlin war, lag auf dem Tisch ein schönes Büchlein, das der Herausgeber, Jörg Magenau, meinem Freund Fritz zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich sah es und legte es kaum mehr aus der Hand. Es heißt Letzte Worte, ist ganz neu und versammelt Sätze oder Worte von Berühmten auf dem Totenbett, wie sie Ernst Jünger (1895-1998) gesammelt hatte.

Jünger war ein besessener Sammler, und neben Insekten und allem Möglichen sammelte er eben auch Letzte Worte. Dafür schaute er Anthologien durch und bereitete Karteikarten vor, die ihm Leute mit interessanten Fundstücken schicken sollten. Der Sammler hat sie dann auch kommentiert. Magenau brachte wohl Ordnung in die Sache und gruppierte die Aussagen in Kapitel. Da gibt es Letzte Worte von Römern aus der Antike, aber auch von ganz einfachen Leuten.   

Jeder sagt ja zum Schluss noch etwas, nur nicht immer ist jemand da, der es aufzeichnet. Viele sterben im Krankenhaus, darum werden heute nicht mehr viele Schlusssätze gemeldet. Vor fünf Jahren, als ich an einer Ausstellung über Jenseitskontakte mitwirkte, legte ich auch ein paar Letzte Worte vor, aber das stieß nicht auf Gegenliebe. Manchmal ist es so klar, dass ein Sterbender (wie Steve Jobs) etwas Wunderschönes sieht: Das Paradies ist offen. 

Ernst Jünger ist kurz vor seinem Tod, als 100-Jähriger noch, zum Katholizismus konvertiert. Seine Sammlung ist aber wertfrei und ziemlich unterhaltsam. In das Buch sind auch Karteikarten und Handschriftliches von Jünger hineinkopiert, und so ist es ein schönes kleines Buch geworden. Ich habe mir natürlich herausgepickt, was etwas über ein mögliches Leben nach dem Tod verrät.  

Alfred Delp (1907-45), der hingerichtet werden sollte: »Herr Pfarrer, in wenigen Augenblicken weiß ich mehr als Sie.« − »Ich werde im Himmel hören«, hauchte Beethoven, der so lange an Taubheit gelitten hatte.  − Elizabeth Barrett Browning (1806-61) wurde gefragte: »How Do You Feel?« »Wonderful.« − Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) sagte: »Mir ist ganz gut.« − Unser bayerischer Komödiant und Sprachkünstler Karl Valentin erkannte: »Wenn ich gewusst hätte, dass Sterben so schön ist …« (Hoffentlich war es nicht wieder ein − letzter − Spaß von ihm.) 

Edmund Husserl, Freiburger Philosoph, rief seine Krankenschwester: »Ich habe etwas Wunderbares gesehen, schnell, schreiben Sie!« (Sie kam mit dem Block, doch da war er schon hinüber.) − Sir Walter Scott (1771-1832) jubelte: »Es ist, als fühle ich mich wie neugeschaffen.« − Oscar A. H. Schmitz, Schriftsteller (1873-1931): »Ich bin in tausend Himmeln.« − Auch Gerard Manley Hopkins (1844-89) hatte anscheinend Grund zur Freude: »I am happy, I am so happy, I am so happy.« − Karl May auch: »Sieg, großer Sieg, ich sehe alles rosenrot.«    

Der Maler Joseph Mallory William Turner (1775-1851) sah klar: »Die Sonne ist Gott.« Auch andere sehen, William Allingham (1828-89) etwa: »Ich sehe Dinge, von denen ihr nichts wisst.« − Solomon Foot (1802-66) war verwundert: »Wie, kann das der Tod sein? Ist er schon gekommen? Ich seh ihn, ich seh ihn! Die Tore sind weit offen! Herrlich! Herrlich!« 

 

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