Weihnachten bei den Harris‘ (II)

Nach fast 20 Jahren geistiger Arbeit wanderten Louie und Alec Harris nach Südafrika aus. Dort machten sie weiter, und ihre Geisterfreude zeigten sich auch dort und machten mit, zehntausend Kilometer von Cardiff entfernt. Natürlich ist es in Südafrika an Weihnachten heiß, aber das Gest wird trotzdem gefeiert. Ein Auszug aus dem Buch:

»Jedes Jahr zur Weihnachtszeit veranstalteten wir unseren Weihnachtszirkel. In einem Jahr bat man uns, doch einen Zirkel an einem Ort zu geben, der hundertsechzig Kilometer von Johannesburg entfernt lag. Wir gingen auf die Anfrage ein, vorausgesetzt, die Séancenteilnehmer würden selbst die Spielsachen mitbringen und mit ihnen den Baum dekorieren. Nachdem die Geisterkinder sich mit ihnen vergnügt hätten, würden sie an arme Kinder verteilt werden, und sie erhielten mit den Spielsachen auch die ganze Liebe, die die jenseitigen Kinder ihnen mitgegeben hätten. 

Fünfzig Teilnehmer waren zugegen – Ärzte, Anwälte und viele wohlbekannte Leute aus dem Distrikt –, und eine Menge Spielsachen waren bereitgestellt worden. Die kleinen Geisterkinder hatten eine wunderbare Zeit; aufgeregt spielten sie um den Weihnachtsbaum herum mit den Sachen. Ich hatte zuvor festgelegt, dass keine Spielzeuggewehre unter den Objekten sein sollten, da deren Knallgeräusche das Medium stören könnten. 

Irgendwann in der Séance spürte ich, wie jemand unter meinem Stuhl tätig war, und als ich fragte ›Was machst du da unten?‹, ging das rote Licht einer Taschenlampe an und beleuchtete Ginger, der gerade ein Spielzeuggewehr unter mir hervorzerrte. Woher es gekommen war, blieb mir verborgen, denn als wir den Raum vorbereiteten, war das Gewehr noch nicht dagewesen. Aber jetzt war es da, und Ginger rannte umher und hatte einen riesigen Spaß daran, das Gewehr abzufeuern und abwechselnd die rote Taschenlampe aufflammen zu lassen. In dem matten roten Schein der Lampe konnten wir sechs oder sieben Geisterkinder sehen, die um den Baum herum damit beschäftigt waren, Hörner zu blasen, Trommeln zu schlagen, Mundharmonika zu spielen, mechanische Spielzeuglastwagen und –autos aufzuziehen und sie quietschend umherfahren zu lassen, und dann ließen sie auch noch Knallfrösche los und warfen Luftschlangen. Neben den uns unbekannten Geisterkindern materialisierten sich auch ein paar bekannte und geliebte Geister oder sprachen durch die Trompete. 

Plötzlich erklang eine dünne Stimme direkt neben mir. ›Ich möchte mit meiner Mummy und meinem Daddy sprechen‹, sagte sie. ›Liebling‹, antwortete ich, ›du weißt doch, wo sie sind, du kannst sie klar sehen oder nicht?‹ Es folgte eine kurze Pause, und dann flüsterte das Kind: ›Ja.‹ ›Also dann, mein Liebes‹, riet ich ihm, ›gehst du hin und sprichst mit ihnen. Das wird sie sehr glücklich machen.‹ 

Ich sah, wie die Trompete zur anderen Seite des Raums hinüberschwebte und vor einem Mann und einer Frau in der Luft stehenblieb. Wir hörten dann dieselbe Kinderstimme flehend sagen: ›Daddy, bitte, du darfst nicht mehr weinen. Mir geht’s jetzt gut.‹ Der Mann atmete hörbar ein; vielleicht war es auch ein Schluchzen. ›O bitte, Daddy, weine nicht‹, sagte das Kind wieder, ›Ich bin hier neben dir.‹ Das Kind hatte sich nun neben ihren Eltern materialisiert. ›Fühl doch meinen Kopf und mein Gesicht, Daddy; ist schon viel besser.‹ 

Der Mann streckte seine Hand aus und betastete den kleinen Kopf und dann das Gesicht. Mit einer Stimme, die vor Emotionen zitterte, sagte er etwas, das für uns unverständlich war, zu dem Kind, und ich wusste, dass er still vor sich hinweinte. ›Nicht mehr weinen, Daddy, ich möchte, dass du glücklich bist‹, appellierte erneut der Kleine, und dann war er fort. Es war eine intensive, gefühlvolle Szene, die wir nie vergaßen. 

Später dann hörte ich von dem Mann die tragische Geschichte. Er hatte sich eines Morgens ins Auto gesetzt, um zur Arbeit zu fahren und nicht mitbekommen, dass der kleine Junge ihm in die Garage gefolgt war. Er war rückwärts hinaus gefahren und hatte das Kind, das für ihn vom Fahrersitz aus nicht zu sehen war, überrollt. Sein kleiner Sohn wurde zu Tode gequetscht. Er hatte furchtbare Verletzungen an Kopf und Gesicht erlitten, und dieser Schrecken zusätzlich zu der Tatsache, dass er sie verursacht hatte, quälten den armen Vater von nun an Tag und Nacht, bis er wegen der unerträglichen Schuldgefühle und der Trauer nur mehr ein Schatten seines früheren Selbst war.  

Als er zu mir sprach, lächelte er schon wieder und meinte, er fühle sich so gut wie nie zuvor seit dem Unglück. Mit seinem Sohn sprechen zu können, war für ihn das wundervollste Ereignis seines ganzen Daseins gewesen, und er hatte das Gefühl, sein Leben nun wieder aufnehmen zu können. Der Vorfall im Zirkel war um so eindrücklicher für uns, da wir nichts von dieser Tragödie geahnt hatten. 

Ich könnte damit fortfahren und eine Geschichte nach der anderen erzählen, wie Menschen sich wieder fröhlich mit anderen Lieben vereint sahen, von denen sie sicher geglaubt hatten, dass der Tod sie ihnen auf immer entrissen hätte. Es ist traurig, dass so viele keinerlei Hoffnung auf ein Leben danach haben. Diese Menschen glauben, dass das Sterben das Ende bedeutet. Diese Überzeugung, die die Kontinuität des Lebens über den Tod hinaus leugnet, führt dann nach ihrem eigenen Tod dazu, dass die Geisthelfer lange brauchen, ihnen klarzumachen, dass sie sehr wohl leben, wenn auch in einer anderen Dimension, und darum entgehen ihnen in der Zeit nach dem Hinübergang viele Freuden und Emotionen, die ihnen diese neue Welt, in die sie gegangen sind, bieten kann.«

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.