22

Manchmal tritt ein Name in unser Leben, der uns etwas bedeutet — und am selben Tag (oder an Tagen danach) tritt uns ein ähnlich klingender Name entgegen; meistens noch zwei. Worte ziehen einander an, es ist wie ein Reim, und es kann sogar eine Zahl im Mittelpunkt stehen wie bei mir unlängst die Zahl 22. Die Geschichte beginnt zwei Tage nach dem Start von manipogo.

Mein Schwager Uli und ich wollten zur Saisoneröffnung des SC Freiburg. Er saß am Steuer seines Autos, in Stadionnähe war viel los, und so mussten wir ungeplant in einer unbekannten Straße parken. Das Holzhaus gegenüber kam mir vage bekannt vor: Ende 1980 hatte ich in einem ähnlichen gewohnt, drei Monate als Praktikant der »Badischen Zeitung«. Nach dem Spiel stellte sich heraus: Es war zwei Grundstücke daneben gewesen, doch das Haus, in dem damals der uralte Herr Pfau mit seinem Schäferhund gelebt hatte, stand nicht mehr. Die Hausnummer: 22. (Es war Samstag, 11. August. Ich bin an einem 11. Februar geboren.)  

Damit war die Zahl als Gedanke in der Welt, und Gedanken können wirken. Im Spiritualismus heißt es: »Gedanken sind Dinge.« Am selben Abend, nach einem Hock, saßen Uli und ich im Auto, und ich wies ihn auf das Display hin. Da stand:  22.12 Uhr, 22 Grad, 2,2 l. Wir staunten. Am nächsten Tag dann las ich das Buch über Culianus Ermordung. Das Interview, das ihn vermutlich zum Todeskandidaten machte, war in der rumänischen Zeitschrift 22 erschienen, so benannt nach dem 22. Dezember 1989, dem Beginn der Revolution. Das war also das dritte Mal, dass mir die 22 erschien.  Non c’è due senza tre, sagen die Italiener: Wo zwei sind, kommt ein Drittes hinzu.   

Das zweite Buch Chronik aus dem Alten Testament

Drei Tage danach spielte ich das Spiel selber weiter und legte ein Treffen auf den 11. September um elf Uhr. Wieder am Tag darauf, an Ferragosto, wollte ich in Basel Pfeifentabak kaufen. Eine alte Dame wies mich gleich auf die dänische Mischung der Nummer 22 hin. Ich nahm sie. 

Es fiel mir noch ein, dass es 22 hebräische Buchstaben gibt, die den 22 Pfaden zugeordnet sind, die in der jüdischen Kabbala die Sefiroth (die Namen Gottes) verbinden. Jedem dieser Wege ist zudem eine Karte aus dem Tarot zugeordnet (Die Hohepriesterin, Der Eremit …), und das nennt man die 22 Großen Arkana. Gestern mittag übrigens schenkte mir mein Buchhändler Marc Eberth in Heitersheim mein erstes Tarot-Deck.  

Und dann gibt es noch den hintergründigen Roman Catch-22 (1961) des US-amerikanischen Autors Joseph Heller (1923–1999). Das nebenstehende Foto zeigt den Titel auf meiner Taschenbuch-Ausgabe von 1994. Ein Catch-22 ist eine vertrackte, unlösbare Situation:  Ohne Job kriegst du keine Wohnung, doch um eine Wohnung zu kriegen, brauchst du einen Job.  In dem Roman kommen viele Paradoxien der Sprache zur Sprache. Auf Seite 22 in meiner Ausgabe steht, dass man sich vor Leuten mit den Initialen MP hüten müsse. Yossarian, der junge Soldat und Protagonist, sagt: »M.P.s won’t protect you, because they’re craziest of all. … Insanity is contagious.« Verrücktsein sei ansteckend. (Anstrengend ist es auch.)   

Ich dachte sodann, der Ausgewogenheit wegen, an das Buch Mein paranormales Fahrrad (1993) von Gero von Randow. Dieser Wissenschaftler ärgerte sich über die esoterischen Zahlenspielereien um die Maße der ägyptischen Cheops-Pyramide und machte sich den Spaß, den Maßen seines Fahrrads magische Zahlen beizulegen. Damit wollte er sagen: Es ist alles Konstruktion, der Mensch legt sich sein magisches Weltbild selbst zurecht. 

Hans Leisegang (1890-1951) hat in seinem Buch Die Gnosis über Ähnliches geschrieben. Diese Lehre war zwischen 200 und 300 eine Weltreligion, wofür der Perser Mani gesorgt hatte, bis das Christentum die Oberhand gewann. Die Griechen hatten früher Zahlenwerte für Buchstaben, und so wurde munter gerechnet. Jesus sagte, er sei das Alpha und das Omega, und da schauen wir mal: Alpha entspricht 1, Omega 800, und 801 ist zufällig genau die Entsprechung des Wortes Taube: der Heilige Geist. Dieses Verfahren heißt Gematrie. Leisegang: »Diese Gematrie jedoch, zuerst von den Pythagoreern geübt, … artete zur grössten Willkür aus.«   

Mittlerweile, nach etwas über einer Woche, hat die 22 bei mir ihre Kraft verloren. Aber weitere Erlebnisse dieser Art werden folgen, da bin ich mir sicher.   

2 Kommentare zu “22”

  1. Regina

    Lieber MP,
    ….gefällt mir!! Ich erinnere mich anTexte von einem Liedermacher: wir brauchen Spinner und Verrückte, es muss etwas passieren. Wir sehen doch wohin es führt, wenn die normalen regieren.
    Oder: ich hab Angst um die Kinder und Narren, die Verwundbaren und die Bizarren, um die Suchenden und die Verirrten, Kommödianten und geistig verwirrten, um die seitlich Umgeknickten, um die Liebenden und die VERRÜCKTEN. Bis später, ciao Regina

  2. Rolf Hannes

    Lieber Manfred, Dein munterer Text gefällt mir. Bin ja auch schon immmer ein Numerologe, ein kleiner, und versteige mich manchmal bis zur Kabbala. Hab es mit den ungeraden Zahlen, bis auf die 8, weil das die Zahl des ZEN ist. Natürlich spielen alle Zahlen mit, aber die ungeraden sind mir lieber. So haben alle meine Kataloge ungerade Maße. Und auch beim Malen und Zeichnen entgehen sie mir nicht. Dann sage ich manchmal: Was wollt ihr noch mehr als die neun. Mit der neun ist alles gesagt. Die Regina hat recht, auf die Liebenden und die Verrückten kommt es an, besonders auf die Verrückten.

    Herzlich
    Rolf