Größer!

Wir kamen am letzten Tag des vergangenen Jahres in La-Chaux-de-Fonds am neuen Monument für Louis Chevrolet vorbei, der in dieser Westschweizer Stadt geboren ist: eine drei Meter hohe Scheußlichkeit, ein silbernes Gebilde aus nichtrostendem Stahl, ähnlich einem riesigen Felsbrocken. Wie ein Symbol. Vieles wirkt heute aufgebläht.

Vorher stand auf dem Platz anscheinend eine unscheinbare Maria mit Kind, die man irgendwohin verbannt hat. Das neue Monument ist nicht zu übersehen. Künstler schaffen heute gern riesige Werke. Das ist der Trend. Man will auffallen. Mit der großen Kelle anrichten will man, keine halben Sachen machen, weil die Konkurrenz groß ist.  

Überhaupt ist vieles größer geworden. Immer mehrEinfamlienhäuschen mit Garten reihen sich aneinander, die Leute brauchen Platz, und obwohl sie schon vor zehn Jahren wussten, dass Energie kostbar ist, haben sie  sich fette Geländewagen angeschafft, Sports Utility Vehicles (SUV). Vor kurzem habe ich einen alten Mini-Cooper gesehen, ach, wie klein der war! Die Neuauflage, die seit ein paar Jahren auf dem Markt ist, der neue Mini-Cooper, ist viel größer – wie aus dem Klonlabor. So ist das auch mit dem neuen Cinquecento von Fiat. 

Niemand würde ich heute in den originalen 500-er setzen. Die Leute haben ein großes Sicherheitsbedürfnis. Sie glauben nicht mehr an Gott und haben so viel Angst um ihr Leben und ihr Geld, dass Versicherungen und Banken glänzende Geschäfte mnachen. Am Sonntag fahren die Leute breitbeinig mit dicken Mountainbikes durchs Gelände, und zum Einkaufen gehen sie in klobigen Turnschuhen. Sie laden sich im Supermarkt den Einkaufswagen voll und füllen ihre Gefriertruhe.  

Understatement ist out. Die Romane sind auch immer dicker geworden, und manche Leser, sagt mein Buchhändler, verlangen geradezu mindestens 400 Seiten, darunter tun sie’s nicht. Das hat alles mit dem Wunsch nach Sichtbarkeit zu tun. Sich dicke tun, das ist ein netter Berliner Ausdruck. Und dick sind die Leute natürlich auch geworden, aber das geschah so nebenher, das wollten sie nicht. Sie stopfen sich aus Langeweile voll und kaufen wie die Irren.  

Für unseren neuen Supermarkt gibt es einen Fahrdienst der Bürgerstiftung, um alten Menschen ein Einkaufserlebnis zu ermöglichen, und nach dem Erlebnis können sie noch einen Kaffee trinken. Da wünschen wir viel Spaß!

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