Iwan Gontscharow

Mit dem Buch Oblomow ist Iwan Gontscharow (1812-1891) berühmt geworden. Der lebensuntüchtige Russe Oblomow pflegt lieber seine Tagträume, statt Ordnung in seinem Leben zu schaffen. Das Buch wurde mir kürzlich dringend zum Lesen empfohlen, aber nicht, glaube ich, weil ich ein kleiner Oblomow wäre, sondern weil es wohl ein höchst vergnüglicher, kluger, großer russischer Roman ist.

Weil mein Freund Helmut Gontscharow so lobte, schnappte ich mir in einem Antiquariat Die Fregatte Pallas, ein Taschenbuch von dem Russen, zu seinem 100. Todestag veröffentlicht. Ähnlich wie bei Laurens van der Posts Yet Being Someone Other geht es um eine Reise nach Japan, aber auch nicht richtig nach Japan, und es scheint, das Absurde begleitete den Autor auch nach Fernost. Und russisch war die Reise in dem Sinn, dass sie schlampig vorbereitet wurde und keiner sich auskannte.  

Iwan Gontscharow arbeitete im Finanzministerium und sollte mit der Fregatte unter Admiral Putjatin 1852 in das verschlossene Japan reisen, um Handelsbeziehungen anzuknüpfen, aber die formellen, abweisenden Japaner lassen die Russen nicht an Land. Dass die Fregatte drei Monate vor Anker liegt und die Besatzung also in Japan ist und doch nicht, das Land nur sieht, das ist absurd.  

Das Schiff hatte in zehn Monaten über Madeira und Singapur (mit ausgedehnten Landaufenthalten) endlich Nagasaki erreicht. Der Gouverneur Owosawa-Bungono-Kami-Sama schickte Leute und meinte, er müsse Botschaft aus Yeddo abwarten, wo der Kaiser lebe. Russen und Japaner treffen sich regelmäßig, tauschen Geschenke aus, feiern Festmahle und Gelage, aber Antwort aus Yeddo kommt nie, und als nach drei Monaten der Gouverneur dem Schiff einen neuen, diesmal miserablen Platz an der Reede zuweisen will, müssen die Russen, die sich nicht demütigen lassen wollen, weiter. Sie kommen noch einmal nach Nagasaki, und dasselbe Spiel wiederholt sich. 

Es passiert wenig, aber man folgt Gontscharow gern. Er lässt seine eigene Person schön beiseite, erzählt humorvoll und ironisch und mit dem gewissen Gleichmut, der den Oblomow so unverwechselbar machen sollte. Natürlich muss man solche Eigenschaften mitbringen, wenn man zwei Jahre von zu Hause fort ist, monatelang auf der Fregatte herumhängt, Hitze und Windstille erdulden muss und dann nicht einmal nach Japan hineinkann, wenngleich Singapur und Hongkong ja auch nicht zu verachten sind.  

Gontscharow selbst geht im August 1854 von Bord und fährt durch Sibirien nach Hause. Verhandlungen über einen Handelsvertrag, die endlich begonnen hatten, wurden wegen des Krimi-Kriegs wieder eingestellt, und Admiral Putjatin (Putjatin und der Krimkrieg …) versuchte dann im November, mit der Diana nach Osaka zu fahren und den Japanern einen Schreck einzujagen und ein Abkommen zu erzwingen; vielleicht hatte er erfahren, dass das den Amerikanern im März 1854 in Shimoda und Hakodate gelungen war. Der Vertrag von Kanagawa beendete die japanische Isolationspolitik. 

US-Schiffe vor Kanagawa, veröff. zw. 1850 und 1900 (US-Library of Congress, Wash. D. C.)

Irgendwie tragisch: Die Amerikaner kriegen hin, wo die Russen scheitern. Ein Tsunami rollt auf die Bucht zu, es gibt Verwüstungen und viele Tote, und die Diana dreht sich in 30 Minuten 44 Mal um die eigene Achse und ist danach ein Wrack. 40 Leute mit Admiral Putjatin schlugen sich auf dem Landweg durch bis Petersburg. Was für ein Abenteuer!

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