Die unsichtbare Bedrohung

Meine Mutter hörte einen Radiobeitrag über die Gefahren des Feinstaubs, Ende März war der stellvertretende ZDF-Chefredakteur bei der Bürgerstiftung des Ortes hier zu Gast und sprach über die NSA und ihre geheimen Datensammlungen, und ja, wir werden ausspioniert und aus dem Himmel beobachtet und … haben Angst!

Früher gab’s da die Angst vor dem Elektrosmog, und auch heute haben Menschen Angst, ob der Gebrauch des Handys sie nicht krank macht. Werden wir abgehört, ausgesaugt, überwacht? Welcher Konzern weiß was von uns? Was wissen Google, Microsoft, die US-Regierung, Amazon, die katholische Kirche von uns? Früher hieß das der gläserne Bürger. Wir haben uns mit Waren umgeben, uns im Häuschen eingebunkert, fahren im Wohnmobil und im Geländewagen gut gesichert umher, aber trotzdem dringen diese unsichtbaren Mächte in unsere Intimsphäre ein, weil wir bloß ein bisschen surfen. Das Unsichtbare versetzt uns in Panik. 

Die Wächter (Rolf Hannes)

Früher gab es unsichtbare Dämonen, die in den Körper eindringen konnten oder von jemandem geschickt waren. Gerüchte verbreiteten sich, Leute schauten uns komisch an, was ist da los? Die Verdammnis war unsichtbar über uns verhängt, weil wir gesündigt hatten, der Untergang schien schon beschlossene Sache, und manche brachten sich um aus Angst. Immer waberten da unsichtbare Bedrohungen um uns her, und oft waren sie erfunden, eingebildet oder wurden uns eingeredet.  

Freilich sind die Gefahren nicht erfunden. Feinstaub tötet Menschen (in China ist die Luft in Peking und Schanghai bereits lebensgefährlich), und die Bespitzelung via Internet und Mails wird es wohl geben. Man macht die elektronische Tür auf, und böse Dämonen schlüpfen hinein. (Unerzogene Nachbarn kann man wieder hinauswerfen.) Dann braucht man einen Exorzisten, keinen Journalisten. Aber viele Leute kümmern sich um die unsichtbaren Gefahren, weil sie die sichtbaren nicht angehen wollen.

Man muss in die NSA nur ein A einfügen und kommt zur NASA, die kürzlich eine Studie veröffentlicht hat, die klarstellt, dass der Mensch jedes Jahr das Eineinhalbfache dessen verbraucht, was wieder nachwächst. Der Untergang sei nur eine Frage der Zeit. Klarer kann man es nicht sagen. Es ist eine fast sichtbare Bedrohung. 

Diese Meldung hätte tagelang oben auf Seite eins stehen sollen, aber schon am nächsten Tag fand ich sie in der FAZ nicht mehr. Man freute sich statt dessen über die Herbstmeisterschaft von Bayern München, wo man dringend einen Weltrat zusammenrufen müsste, um die Geburten und den Energieverbrauch drastisch zu verringern, denn wenn die Zivilisation zusammenkracht, können uns unsichtbare Mächte egal sein und uns auch nicht retten.

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