Mont Ventoux

Der Mont Ventoux, der windige Berg in Südfrankreich, »steht einzigartig da«, schreibt der französische Autor Paul Fournel in seinem Buch Liebe zum Fahrrad (besoin de vélo; aus ihm habe ich die folgenden Stellen übersetzt). Er sei auf eine Ebene gestellt und beherrsche kein Tal; er sei nur dazu da, erklettert oder befahren zu werden.

Der 1912 Meter hohe Ventoux ist eine Legende der Tour de France, und nicht nur, weil 1967 dort oben der Engländer Tom Simpson an Folgen des Dopings umkam, damals ein bekannter Fahrer. Die Rampen des Ventoux sind gemein, und oben, wenn es aus der schütteren Vegetation hinausgeht, erwartet einen eine kahle Szenerie. Der Mont Ventoux ist sein eigenes Klima und sein eigenes Land. »Für den Radfahrer«, schreibt Fournel, »ist er ein Rätsel.« 

Negative von 1995 etwa, als Helmut und ich hinauffuhren

Auch in der Geistesgeschichte hat der Berg seinen Platz. Am 26. April 1336 schrieb Francesco Petrarca, unsterblich geworden durch seine Gedichte an Laura, in einem Brief, er habe den Mont Ventoux bestiegen. Das wurde als wichtiges Datum zwischen Mittelalter und Neuzeit betrachtet: Entdeckung der Natur. Petrarca galt als Begründer des Alpinismus, aber heute ist man sich einig, dass es sich wohl um ein literarisches Werk handelte, um die allegorische Besteigung eines Berges, Aufstieg der Seele. Petrarca war vermutlich gar nicht oben.

Jeder habe seinen eigenen Ventoux, schreibt Fournel. Es gebe schlechte Tage, da klebe das Rad fast am Asphalt fest, und eine Angst erfasse den Fahrer. Und im letzten Absatz parapharasiert der Autor fast Petrarca, beschreibt eine Reise zu sich selbst: Der Ventoux entdecke einen sich selbst. »Er spiegelt Ihnen Ihre Müdigkeit und Ihre Angst zurück. Er weiß alles über Ihre Form und Ihre Fähigkeit zu radfahrerischem Glücksempfinden und das Glücksempfinden allgemein. Sie klettern zu sich selbst empor. Wenn Sie keine Lust haben, etwas darüber zu erfahren, bleiben Sie besser unten.«

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