Geliebtes deutsches Vaterland

Ich fand ein Video, das ich einmal irgendwo erworben hatte, weil es um mein Geburtsjahr ging, das entfernte 1957. Der junge Ulrich- Sat-1- Meyer (1955 geboren) führt in die Beiträge ein, im Anzug und arrogant wie eh, und in einem alten Filmbeitrag feiern Leute, weil die Saar wieder zu Deutschland gehört, und der damalige Kanzler Konrad Adenauer spricht. Und was sagt er?

Adenauer drückte (1957) seine Freude darüber aus, dass das Saarland wieder »zu unserem geliebten deutschen Vaterland« gehört. 12 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und dem Kriegsende sagt er so einfach geliebtes deutsches Vaterland, ist das denn zu fassen? Dann dachte ich noch daran, was Jimmy Page (oder Robert Plant) von der englischen Rockband Led Zeppelin von einem Auftritt in Köln 1970 berichteten: böse Polizisten mit Schäferhunden. Und 1957 durfte Deutschland schon wieder eine Armee haben, die feierlich vereidigt wurde.

Der alte, nun zerstörte Anhalter Bahnhof in Berlin

Frühere Nazi-Funktionäre machten in der Regierung mit, weil die sich auskannten und die Verwaltung ja irgendwie weiterlaufen musste. Aber man wird den Verdacht nicht los, dass die echte Aufarbeitung erst später einsetzte. Erst machte man gründlich und deutsch weiter, doch dann, seltsam, wurde die Nazizeit immer mehr tabuisiert. Je mehr Zeit verging, desto sensibler wurden die Leute, und da kamen ihnen andere, die Fehler machten, gerade recht.

Wer in den Jahrzehnten danach irgendeinen unglücklichen oder dummen Hitler-Vergleich bemühte, war sofort weg. Man bestrafte andere und war fein raus. In dem Buch Du machst mich noch verrückt von einer Therapeutin, das ich gerade nicht finde, war das gut beschrieben. Der Aggressor schämt sich seiner eigenen Schandtaten und geht gleich  zum Gegenangriff über.

Darum hat man nach dem Zweiten Weltkrieg die Autoren, die ins Exil gegangen waren, nicht mehr angehört. Man wollte sich nicht mit der eigenen Schuld konfrontieren. Die Exilanten wurden totgeschwiegen, und es hat auch lange gedauert, bis man den Überlebenden der Konzentrationslager zuhörte. Das Buch Die Untergegangenen und die Geretteten von Primo Levi wurde erst Mitte der 1980-er Jahre auf Deutsch veröffentlicht und bekannt; er selber, der italienische Chemiker aus Turin, nahm sich 1987 das Leben.

Jetzt ist das alles fernste Vergangenheit, und man kann schon wieder Witze darüber machen (wie man sie aber auch schon in den 1960-er Jahren machte, weil man das Ausmaß nicht begriff). Vor zwei Jahren konnte sogar ein Buch über die Rückkehr Adolf Hitlers veröffentlicht werden (Er ist wieder da), was man nur irritiert zur Kenntnis nehmen konnte. 50 Millionen Menschen haben in dem Weltkrieg ihr Leben verloren, 6 Millionen Juden wurden von Deutschen ermordet. Ein hundertjähriges In-Sich-Gehen wäre angebracht gewesen.

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