Sizilianer

Die Sizilianer sind neugierig, hilfsbereit, warmherzig und expressiv. Ich habe viele getroffen, die mir halfen, und zu einigen baute sich kurzfristig eine herzliche Beziehung auf. Das war rührend. Darum will ich einigen dieser Engel diesen Beitrag widmen.

Als ich von San Vito lo Capo in Richtung Erice aufbrach, musste ich meine Landkarte konsultieren. Gleich hielt ein Mountainbiker und bot an, mir den Weg zu zeigen; wir könnten zusammen fahren, er habe es nicht eilig und sei überhaupt schon von Trapani gekommen, und den Weg nach Erice kenne er. Es war Gaspare Vasile, früher Fischer, nun Touristenführer, der nur das Problem hatte, nicht richtig schreiben und lesen zu können, was ihn natürlich von sämtlichen Weiterbildungskursen ausschloss. Er führte mich bis zum Anstieg von Erice, wir verabschiedeten uns herzlich, und dann rollte er die Straße nach Trapani hinunter.

Schön war es später auch in Selinunte. Ich erkundigte mich in einer Bar, in der laut Blues gespielt wurde, nach dem Campingplatz, ein Kellner (Nicola) wollte wissen, wo ich herkam, Nino war der junge Chef (der hatte in London gelebt, daher der Blues), und er verwies mich an den Campingplatz Athena, den sein Onkel Giovanni leite. Mit ihm verstand ich mich dann auf Anhieb. Giovanni hatte immer einen Zigarillo im Mund, schlurfte über den Campingplatz oder fuhr mit seinem Auto auf und ab, und am Abend nahm er mich mit in die Bar seines Neffen, wir redeten, er hatte sieben Jahre im Kanton Glarus gearbeitet, war zurückgekommen, dann Ehe gescheitert, und er der Platzwart geworden, aber irgendwie ein armer Hund, denn zahlen musste man bei der Besitzerin des Restaurants, die unfreundlich war und eine Rumänin angestellt hatte, die nicht einmal die Bestellung aufnehmen durfte. Die Getränke ja, und Teller abräumen durfte sie.

In Noto fiel mein Blick auf drei bunt gekleidete Mountainbiker in einer Bar, wir unterhielten uns, und Daniele, wie sich zeigte, war Vertreter für Fat Bikes, kannte die halbe Stadt, gab mir seine Telefonnummer im Fall eines Notfalls und zeigte mir den Weg hinaus aus Noto.

Weiter östlich auf dem Campingplatz Sabbiadoro bei Avola lernte ich Alberto kennen, den Chef des Restaurants, und seine beiden engsten Mitarbeiter. Da entstand sofort Kumpanei zwischen uns vieren, und sofort gehörte ich dazu (wie vor zwei Jahren in Misano Adriatico, man wird schnell freund mit freundlichen Italienern, sie sind unkompliziert und leutselig). Am Abend eines Regentags war ich schlecht gelaunt und mir war kalt. Ich ging ins Restaurant, bekam eine besonders dick belegte Pizza Parmigiana, sie winkten mir zu und machten Zeichen, ob es geschmeckt hätte, und wie, gab ich zurück, und diese menschliche Wärme spürte ich am ganzen Körper, denn hinterher im Zelt fror mich nicht mehr, mir war sogar zu heiß.

 

Dann fragte ich in Siracusa einen Mountainbiker nach dem Weg hinaus aus der Stadt, und eigentlich wollte ich nur nach Aci Trezza, auch wenn ich wohl oder übel nicht viel von Siracusa sehen würde. Doch dann hatte mich Michele Sciasca (Michael ließ er sich nennen, er sprach englisch, weil er meist in Indien und Thailand lebte, und seit Oktober war er verheiratet mit einer Frau aus Sibirien, Ljuba) verfolgt und zeigte mir die Arethusa-Quelle, den Hafen, und vor der Kathedrale passte er auf mein Rad auf, damit ich sie ansehen konnte. So konnte ich doch sehen, was ich sehen hatte wollen, und Michael lud mich noch zu einem zweiten Frühstück ein und brachte mich über den Radweg (auf einer stillgelegten Eisenbahntrasse) hinaus dorthin, wo es nach Catania ginge.

 

In Aci Trezza dann Orazio, Romanos Onkel. Er war nicht nur expressiv, sondern explosiv, ungeheure Energie ging von ihm aus. Er hatte mich nie gesehen, wollte mich an der Kirche abholen (ich besuchte sogar eine Andacht und die Messe, weil die Reise so gut gelaufen war), und schon von weitem rief er »Manfred!« und küsste mich dann auf beide Wangen. Wir kannten uns 20 Minuten und waren schon Blutsbrüder. So sind Sizilianer.

Ein Kommentar zu “Sizilianer”

  1. Regina

    Lieber Mandy – schöne Erlebnisse! Wie der Inuit, der in seinem Land niemals allein ist, aber in Paris im Hotel jeden Abend die Einsamkeit in sich aufsteigen fühlt… viele Grüße Gina