Lovely Bones
Das war mal ein ungewöhnlicher Roman: Lovely Bones von Alice Sebold. War vor über zehn Jahren ein New York Times Number One Bestseller mit einer Million verkauften Exemplaren. Die Geschichte wird von Susie erzählt – aus dem Himmel.
Heißer Anfang: »Mein Name ist Salmon, wie der Fisch (Lachs); Vorname Susie. Ich war vierzehn, als ich am 6. Dezember 1973 ermordet wurde.« Am Anfang des dritten Kapitels schaut sie hinunter auf die Erde, wo überall Seelen ihre Körper verlassen und nach oben schweben. Das ist ein eindrückliches Bild.
1999 erzählt Lester Burnham (Kevin Spacey‘) aus dem Jenseits im Film American Beauty sein Leben. Susie wird von einem Nachbarn überfallen, vergewaltigt und erstochen. Der Mörder hat noch sieben oder acht andere Mädchen auf dem Gewissen, verhält sich klug und kann unerkannt fliehen. Susie schaut von oben gespannt zu. Die Fahndung nach dem Täter gibt der Handlung innere Spannung.
Doch eigentlich ist es ein Buch über die Familie: wie die Bezugspersonen Susies trauern, sich neu sortieren, wie Paare auseinandergehen und andere zusammenkommen. Die Handlung ist nicht vorhersehbar, und das ist eine große Qualität des Buchs. Ein neues Beziehungsgeflecht entsteht ohne Susie, und dieses Geflecht, das am Ende doch harmonisch und geglückt aussieht, das sind die hübschen Knochen, die eben anders zusammenwuchsen.
Man muss nicht gleich an den Tod denken. Wir alle stecken in Zusammenhängen, in Firmen und Freundschaftscliquen, und manchmal fällt einer heraus, wird betrauert, und das Leben geht ohne ihn weiter. Die Lücke schließt sich. Der Ausgeschiedene bereichert eine andere Gruppe, und auch Susie dort drüben hat neue Entfaltungsmöglichkeiten gewonnen.
Ich las über die Autorin Alice Sebold, die 1963 geboren wurde und mit 18 Jahren überfallen und brutal vergewaltigt wurde und dabei wohl dem Tod ins Auge sah. So eine Geschichte erfindet man nicht einfach so; es muss ein schlimmes Trauma gewesen sein, das der Bestseller nicht ausradierte, sondern nur erträglicher machte.