Theodor W. Adorno

Heute vor 45 Jahren ist Theodor W. Adorno im Wallis gestorben. Er war 1903 geboren, sein Tod erfolgte im Sommerurlaub. Er fuhr mit der Seilbahn hoch hinauf und bekam Herzprobleme; aber er war angeschlagen, weil die Studenten, die er mochte, ihn attackierten und zu den Bösen rechneten.

Ich habe einige Bücher von Adorno. Manche Kritiker meinen, er habe sich da und dort geirrt, er komme argumentativ nicht vom Fleck, sei überhaupt fast unlesbar. Schon; die Negative Dialektik zum Beispiel ist ungeheuer dicht und setzt viel voraus, außerdem hatte Adorno einen eigenen Stil entwickelt (von dem man Spurenelemente sogar heute noch in der FAZ wiederfindet). Er schreibt komplizierte, ineinander verschachtelte Sätze, die nicht sehr lang sind, aber Konzentration erfordern.

Ich finde Minima Moralia – seine Aufsätze über Beobachtungen in den USA aus den Jahren 1944 bis 1946 – sehr gut, wenn man Lesbares von Adorno will. Da zeigt sich der Professor auch engagiert, sogar leidenschaftlich. Derzeit lese ich zum zweiten Mal die Ästhetische Theorie, die er nach dem Schweiz-Urlaub hatte zur Druckreife bringen wollen. Suhrkamp veröffentlichte das Werk als Fragment, was man ihm nicht ansieht; es ist ein Fragment, das Adorno noch gekürzt hätte.

In einer Passage beschreibt er gut, wie es dem Leser geht mit Philosophie (oder mit Kunst): Solange man liest, meint man zu verstehen; wenn man das Buch weglegt, ist auch der Inhalt weg, und man könnte nicht genau sagen, was man gelesen hat. »Dass Kunstwerke etwas sagen und mit dem gleichen Atemzug es verbergen, nennt den Rätselcharakter unterm Aspekt der Sprache. Er äfft clownshaft; ist man in den Kunstwerken, vollzieht man sie mit, so macht er sich unsichtbar; tritt man heraus, bricht man den Vertrag mit ihrem Immanenzzusammenhang, so kehrt er wieder wie ein spirit.«

Adornos berühmtester Satz lautet Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Zusammengefasst der Kontext: In der Konsumwelt müsste man eigentlich gegen Privateigentum sein, aber das führt (siehe Kommunismus) zur Verachtung gegenüber den Dingen, die laut Adorno zur Menschenverachtung führt. Wer für Privateigentum ist, muss sich vorwerfen lassen, dass er nur seinen Wohlstand behalten will. Das ist ein Dilemma, dem man nicht entrinnt: Man steckt eben im System drin. Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

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