Rom, Blicke

Nach Goethes Impressionen von Rom nun Blicke eines Kollegen auf die Ewige Stadt, der 200 Jahre nach ihm lebte: Rolf Dieter Brinkmann. Sein Buch Rom, Blicke kaufte ich (steht vorn drin) im März 1999, als wie die Wohnung in Rom gekauft hatten. Zum Lesen des Werks kam ich erst jetzt.

Brinkmann, 1940 geboren, wurde 1975 durch den wegweisenden Gedichtband Westwärts 1 & 2 bekannt (bald danach starb er, wurde überfahren), doch in diesem Band über seinen Aufenthalt in der Villa Massimo (ab Oktober 1972) zeigt er sich als Dauerredner und Prediger, von Rom angewidert, aber auch fasziniert. Ein Auszug:

»Stundenlanges Warten an öffentlichen Stellen, für Briefmarken, für Taxis, die gewöhnlichsten Dinge, Hähnchen rotieren in grauer Bleiluft enger Straßen, Soldaten sitzen direkt vor Auspuffrohren draußen vor den Cafes und blicken leer drein, ständiges Grimassieren südländischen Temperaments, aber die Augen sehen starr aus, man muss sich einmal darauf konzentrieren, dann merkt man es, von Mode-Illustrierten verseuchte gewöhnliche Fotzen, aufgetakelt und miese Demi-Monde, eklig das ungenierte Sack-Kratzen auf der Straße von ondulierten Herren …. wildes Gedränge und Gewühle auf den staubigen Straßen, aber der Himmel ist sehr hoch und klar und flammende Sonnenuntergänge wegen des nahen Meers, Amerikanerinnen wie falsche Fuffziger nach Parfum stinkend quaken breit herum, man trifft sie überall wie auch Deutsche, also rotgesichtiges fleischerhaftes Glotzen aus Touristenbussen, Busse vollgestopft mit deutschen Rentnern, Diabetikern, Magenkranken, mit Fußkranken Rentnerinnen, die dich aus Fenstern anstarren, Vorgarten-Greise auf Sightseeing-Tour schaukeln glotzig in Bussen vorbei, fliegende Händler bieten Nippes-Feuerzeuge und Postkarten an, am Sonntag, als ich nachmittags meinen ersten Spaziergang machte und mir die zerfallenen ochsenroten oder kotig-gelb gestrichenen viereckigen Häuser ansah, dachte ich: ich gehe durch einen zerfallenen Traum und trat im gleichen Moment in Hundescheiße … ›Auch ich in Arkadien!‹, Göthe.«

Unser Haus, kotig-gelb

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