Ausverkauf

Der Sommerschlussverkauf lief schlecht in Rom, heißt es in La Repubblica. Die Geschäftsleute funken SOS. Es gibt Schlimmeres: den schleichenden Ausverkauf des Landes, dessen Hauptstadt Rom ist. Dazu muss man nur einige Meldungen der Repubblica, einer gro0en halblinken Tageszeitung, heranziehen.

Dann weiß man mehr. Natürlich waren in den beiden vergangenen Augustwochen die üblichen Artikel deutscher Zeitungen über Rom zu lesen. 1. Über die Taschendiebe im Bus 64 und in der Stadt. 2. Dass Rom Mitte August ziemlich entleert und heiß ist. Solche Artikel liest man jedes Jahr. Man könnte sie jedes Jahr neu abdrucken, mit einer neuen Jahreszahl. Braucht man dafür Auslandskorrespondenten?

Man nimmt dieses Land nicht ernst. Rom ist ein wunderschöner Arbeitsplatz, und der Leser erwartet Amüsantes, etwas mit Chaos und Charme zugleich, und das kriegt er auch. Mit Deprimierendem aus Rom will man den Leser nicht belasten. Aber hier: der Ausverkauf. Es reicht, ein paar Meldungen aus der letzten Augustwoche aneinanderzureihen.

La Repubblica schreibt, das Staatsarchiv im Viertel EUR habe finanzielle Probleme. Eine hohe Miete, der Besitzer der Liegenschaft will diese verkaufen, und wenn bis Ende des Jahres nicht Klärung kommt, muss das Archiv mit seinen 130 Regalmetern vielleicht nach Pomezia umziehen. Die Nationalbibliothek steht auch auf der Kippe. Sie hat früher 3,2 Millionen im Jahr bekommen, jetzt sind es noch 1,2 Millionen, und der Direktor meint, lange gehe das nicht mehr gut. (1,2 Millionen kriegt Balotelli, der Fußballspieler, künftig in England in 90 Tagen.)

In den nächsten Tagen soll die Hauptverwaltung (sopraintendenza) der archäologischen Stätten Süd-Etruriens abgeschafft werden. Sie verwaltet die Reste der alten Etrusker, die um 400 vor Christus im Nordwesten Roms herrschten. Das Museum der Villa Giulia ist das weltgrößte Museum für diese Relikte. Nun will man Verwaltungskosten sparen und die Etrusker-Stätten zentral überwachen.

Eine kleine, bizarre Meldung besagte, dass kein Geld da sei für die weitere Ausgrabung der Stallungen von Kaiser Augustus. Nun will man, es ist kaum zu fassen, die Ausgrabungsstätte zuschütten und darauf ein Parkhaus für 293 Automobile errichten.

Und dann hieß es noch in der Rom-Ausgabe der Zeitung, dass in der historischen Innenstadt die die Zahl Ess-Buden und Getränkestände (Food & Beverage steht da oft, also Kebab und Pizza und Sandwich ) in den vergangenen zehn Jahren um 200 Prozent zugenommen habe (eine Vervierfachung). Dafür verschwänden allmählich die Handwerker: 50 Prozent weniger Schuhmacher, Schneider und Sattler. Die Stadt dient sich dem Touristen an und wird immer mehr steril, ein Disneyland.

Ach, und beinahe hätte ich’s vergessen, die schlimmste Nachricht für mich: Die Herder-Buchhandlung am Montecitorio, am Parlament, gibt es nicht mehr. Da, wo ich hoffte, dass in den nächsten Jahren an Touristen Hunderte meiner Bücher verkauft werden würden, wo Goethe und Nietzsche und Kafka einen Schonraum hatten, wird jetzt laut La Repubblica Bekleidung verkauft.  O geistlose Zeit.

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