Bruder Feuer

Bruder Feuer ist eines der vielen Bücher von Luise Rinser, geboren 1911 in der Nähe von Landsberg (Pitzling), gestorben 91 Jahre später in Oberhaching. Sie lebte Jahrzehnte in Rocca di Papa bei Rom und war eine ziemlich gute, einflussreiche Schriftstellerin mit meist katholischen Themen. In Bruder Feuer geht es um Franz von Assisi.

Das ist ein gelungenes Buch. Die Rinser war ja ein schillerndes Wesen, wurde in der Nazi-Zeit verhaftet, doch später, nachdem sie sich als Widerständlerin dargestellt hatte, fand man heraus, dass sie doch verstrickt war und auch Gedichte über den Führer schrieb; später war sie mit dem Komponisten Carl Orff verheiratet und hatte eine Beziehung zu dem Theologen Karl Rahner.

Sie stand gern im Mittelpunkt und sorgte oft für Aufsehen (etwa als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten), und manchmal musste man sich über sie auch wundern: als sie den iranischen Religionsführer Khomeini über die Maßen verehrte oder den nordkoreanischen Diktator Kim IL-Sung. Das war vielleicht ihr blinder Fleck: Bei Diktatoren sank sie in die Knie.

Als Schriftstellerin wird sie von manchen als Autorin für Frauen oder Pfarrer abqualifiziert, doch damit tut man ihr unrecht. Es sind hintergründige Bücher mit viel Weisheit (zuletzt 1995, Mitgefühl als Weg zum Frieden: Gespräche mit dem Dalai Lama). Bei Bruder Feuer lässt sie einen Zeitschriften-Journalisten erzählen, der eine Reportage über einen Franz Bernardone machen soll, der in den Bergen bei Assisi eine christliche Kommune gegründet hat. Luise Rinser versetzt die Handlung um den heiligen Franziskus in die Gegenwart, und das funktioniert unerwartet gut.

Franz war der Sohn eines reichen Tuchhändlers, kämpfte für die Staufer (Friedrich II. wurde 1220 dann Kaiser bis zu seinem Tod 1250), kam ins Gefängnis, erlebte eine Bekehrung, verschenkte sein Erbe und schloss sich den Armen an. Er liebte die Tiere, überhaupt die Natur und das asketische Leben; er war der erste Grüne, könnte man sagen. Geboren war er 1181, und er starb 1226.

Der Journalist tut sich also in Assisi um und zieht Informationen über den seltsamen Heiligen ein. Plötzlich ist man selbst mitten drin und ahnt das Revolutionäre: Da lehnt einer radikal die Konsumwelt ab und ist ein radikaler Christ, so radikal, dass es sogar Priestern und Bischöfen mulmig wird. Verführerische Frauen hält er sich auf Distanz, nur Klara von Assisi (1194-1253) wurde zu seiner Herzensfreundin und Mitstreiterin.

So also könnte das Christentum aussehen, denkt man sich. Anstößig, umstürzend, weltverändernd. Die anderen lieben, alles verschenken, eine neue Welt aufbauen, in der Respekt und Hilfsbereitschaft zählen. Der heutige Papst ist der erste, der sich nach Franziskus benannte: Francesco. Er versucht auch, eine neue Schlichtheit zu predigen. Der Mann aus Assisi gründete den Franziskaner-Orden, der sich auch vielen Widerständen gegenübersah, und auch Teresa von Avila musste kämpfen, um ihren Orden (die Karmelitinnen) zu gründen.

Alles schleppt sich so dahin, man versumpft allmählich im Luxus und in den Gütern, und dann kommt einer daher und sagt: halt! So war das nicht gedacht. Hier muss Strenge her, ein neuer Anfang – wir müssen zurück zu den Wurzeln, das wird zwar wehtun, aber nur so kommt der Geist zu uns, der in der Lehre verborgen liegt.

Ein Kommentar zu “Bruder Feuer”

  1. Christine

    ‚Bruder Feuer‘ ist toll, wie übrigens auch ‚Mirjam‘: religöse Gestalten einmal anders gesehen.

    Herzlich, Christine