Albin Zollinger

Der Pfannenstiel hat für mich eine besondere Bedeutung. Es ist ein Höhenzug oberhalb vom Zürisee, Giovanna und ich sind drüber gewandert und eingekehrt, Ende August vor zwei Jahren; und es war wohl da, wo Max Frisch 70 Jahre vorher Albin Zollinger getroffen hat, und ihr werdet euch fragen: Was geht mich das an?

Heute im Jahr 1941 ist Albin Zollinger gestorben, bald nach der Begegnung mit Frisch, der seinen Kollegen sehr bewunderte. Zollinger, der Lehrer,  starb an einem Herzanfall und wurde nur 45 Jahre alt. Nachdem ich nun seinen wichtigsten Roman gelesen habe, der auch Pfannenstiel heißt, merke ich erst, wie tief er Max Frisch beeinflusst hat, der damals 30 Jahre alt war und noch 50 weitere Jahre leben durfte. Man meint, den Zolinger-Tonfall im Roman Stiller wiederzufinden, den man jedem ans Herz legen kann.

So sieht man, dass niemand frei ist von Einflüssen. Man bewundert jemanden, strebt ihm nach und führt dessen Werk fort, wodurch der Bewunderte in einem gewissen Sinn weiterlebt. Von Zollinger sagt man, er sei in seiner Region verhaftet, mehr Lyriker als Romanschriftsteller gewesen. Doch es ist ihm gelungen, seine Prosa auf lyrische Elemente aufzubauen, und er konnte Stimmungen in der Landschaft malen wie kein anderer. Er ließ seiner Schwärmerei freien Lauf, und wenn er das tat, wurde es gut. Martin Stapfer, der Bildhauer und Held des Romans, radelt durchs Land.

Die Thur kam daher durch ein Grasland mit Reihern und Lerchen, gesprenkelt von Apfelbaumgärten. Heu in der Mähne, mit dem Kuckuck in seiner Spiegelung. Die Thur im Gefunkel ihres heidnischen uralten Namens! Bauernland, Bauernland! Staub der Straßen puderte die Kirchen, Wegwarte und Spitzwegerich; ein jedes Dorf mit Bogenfenstern seines Theatersaals, blauem und rosa Gezettel auf seinen Anschlagbrettern – liebe Demokratie! –, mit Spritzenhäuschen und Feuerteich. Froschquarren und Grillenglitzern!

Martin Stapfer kommt mit einem Freund aus Zürich zurück, ist verliebt in Marie, die aber zurückfährt; er baut ein Haus, macht sich als Bildhauer einen Namen, lernt weitere Frauen kennen, arbeitet mit Künstlern an einer Zeitschrift, und am Ende bricht der Krieg aus, und er zieht los … In dem Roman wird auch viel theoretisch abgehandelt, in langen Erörterungen. Die Schweiz wird untersucht. Ins Hochland glaubte Martin heimzukehren, aber er kam nach … Byzanz.

Einem Byzanz der Banken, Versicherungshäuser und Wochenblättchen. Einem Byzanz des mechanisierten Liberalismus. … Die Schweiz ist ein Pfahlbauerndorf, das auf den Einzelnen steht. Die Einzelnen finden Sie überall: da einen senkrechten Bürger, dort einen ernsthaften Sucher. Nur haust jeder in seiner Talschaft. Wir haben es schwer, uns zu finden. Wir sind geborene Eigenbrötler.

Ich auch? Bin ich ein Schweizer? In einer Rezension zu meinem Roman hieß es, man folge Rudi durch Rom gern, dem etwas verschrobenen Radler. Verschroben: also etwas merkwürdig, eigenbrötlerisch. Sind das die Künstler? Aber Künstler ist ein Begriff, der nicht mehr in diese Zeit passen will. Aber Albin Zollinger war einer.

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