Holiday Golightly

Holiday oder kurz Holly Golightly ist die Hauptperson der Erzählung Breakfast at Tiffany’s (1958) von Truman Capote (1924-1984), der durch sein Buch In Cold Blood (Kaltblütig, 1966) berühmt wurde. Schon drei Jahre später verfilmte Blake Edwards die Geschichte mit Audrey Hepburn und George Peppard. Henry Mancini schrieb für Audrey die traumhafte Ballade Moon River.

Helmut hatte mir Frühstück bei Tiffany ans Herz gelegt – als ein großartiges Stück Literatur. Ja, man muss es lesen, und Capote selber meinte später, da sei er stilistisch zu einem Höhepunkt gekommen, und sogar Norman Mailer hielt es für eine perfekte Erzählung. Schön ist ein Spruch des Autors aus einer Talkshow über manche seiner Kollegen und Kolleginnen: »That ist not writing, that is typing.«

Das trifft auf die meisten der heutigen Werke zu, und da denke ich an Duilio Ferrucci, dem Hotelbesitzer in Santa Marinella, der leider schwer krank ist (darum vermutlich nie wieder Santa Marinella für mich) und mir einmal sagte, Spaghetti  zubereiten, »das ist nicht kochen«.

Breakfast at Tiffany’s ist eindeutig writing. Gerade jetzt hat man frühe Kurzgeschichten von Truman Capote aufgefunden, die Zeit hat ein paar veröffentlicht, und nächstes Jahr sollen sie im Kein & Aber-Verlag publiziert werden. Ende Oktober war im Zeit-Magazin ein Interview mit Gerald Clarke, einem langjährigen Freund von Capote, der uns alles über den Autor verrät, der klein war, eine dünne Stimme hatte, homosexuell, aber mit einer ungeheuren Ausstrahlung begabt. Wenn er eine Party betrat, hieß es, habe sich sozusagen der Jordan geteilt.

»Er war einfach gut darin, schnell zu kategorisieren, und das hat er auch privat gemacht. Es war ein Talent von ihm«, sagte Clarke. Das ist auch eine Stärke der 100 Seiten langen Geschichte. Darin ist vieles so bündig zusammengefasst, dass man es kaum fassen kann. Hollys Apartment wirkt immer unaufgeräumt, sie hat es nicht geschafft, die Möbel an einen Platz zu bringen, und Capote schreibt von »fly-by-night look« und »camping-out atmosphere«.

Der alte Barkeeper war in Holly verliebt, aber nein, berühren wollte er sie nicht, obwohl, that side of things sei in seinen Gedanken und eigentlich immer mehr, je älter er werde. That side of things. Der Schlüsselsatz, der den Titel enthält, lautet: »I want to still be me when I wake up one fine morning and have breakfast at Tiffany’s.« Damit rechtfertig sie ihr Fernbleiben von einem wichtigen Vorsprechen für einen Film und überhaupt alle ihre Eskapaden: Holly will sich selbst treu bleiben.

Holly, Hollywood. Sie ist eine der wunderbarsten Frauengestalten, die je erschaffen wurden (stellen wir sie neben Micól aus den Gärten der Finzi-Contini), 19 Jahre alt, ziemlich verrückt, begehrt von allen, unberechenbar, dabei aber ehrlich, moralisch und warmherzig. Auch ein bißchen naiv. Sie besucht einen Mafia-Boss, den sie bemitleidet, und kriegt nicht mit, dass sie kodierte Botschaften hin- und herträgt zwischen ihm und dessen Anwalt. Ein reicher dicker Amerikaner will sie heiraten, ein Brasilianer will sie heiraten, aber beide entscheiden sich dann für einfachere Lösungen (einfachere Frauen), und dann nähert sich das Ende …

Ich erinnerte mich: diese traurige Szene, als sie zum Flughafen fahren (Holly will trotzdem nach Rio) und Holly ihre geliebte Katze, der sie nie einen Namen gegeben hat, wegjagt. Dann tut’s ihr leid: »Oh, Jesus God. We did belong to each other. He was mine.« Der Erzähler, der mit Holly viel unternommen hat, tröstet sie: Er werde die Katze finden und sich um sie kümmern. »›But what about me?‹ she said, whispered, and shivered again.«

Holly Golightly, heimatlos wie ihre Katze, allen Einfällen nachgebend, so dass man andauernd auf sie aufpassen und sie retten müsste, ist eigentlich alleine, ihre Freunde haben sie verlassen, und da denkt man an The Great Gatsby von Scott Fitzgerald, auch so ein Stück wunderbarer Literatur mit einem ebenfalls abseits stehenden Erzähler (das ist immer so, ach, wir Schriftsteller schauen nur immer zu und handeln nicht; es leben die anderen), der so viele Feste veranstaltet hat und dann doch völlig vergessen wurde. Holly verschwindet, aber sie ist irgendwo, und dass es sie überhaupt gibt, gibt uns Hoffnung.

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