Vom Suchen und Finden

Im September 2013 hatte ich eine Passage von Jiddu Krishnamurti, Anfang April 2014 wieder, und nun, wiederum exakt nach sieben Monaten, muss ich erneut ein Stück von ihm bringen. Man hat anscheinend so seine inneren Rhythmen. Hier geht es nun um das Suchen und Finden.

»Lasst uns zusammen die ganze Angelegenheit betrachten. Wir suchen immer etwas, und wir gebrauchen das Wort ›suchen‹ so leichtfertig. Die Tatsache, dass wir suchen, ist überaus wichtig, und nicht das, was gesucht wird. Was einer sucht, ist die Projektion seines Wunsches. Suchen ist nicht der Zustand der Suche; es ist eine Reaktion, ein Prozess der Ablehnung und Zustimmung mit Bezug auf eine Idee, dich sich der Geist gemacht hat. Um die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu suchen, muss man bereits das Wissen um die Nadel haben. In ähnlicher Weise bedeutet es, wenn man Gott, das Glück, die Stille oder was immer man will sucht, dass man dies bereits gekannt oder sich vorgestellt hat. Suchen, wie man es nennt, richtet sich immer auf etwas Bekanntes. Finden ist Wiedererkennen, und dieses Erkennen gründet auf vorhergehendem Wissen. Dieser Prozess des Suchens ist nicht der Zustand der Suche. Der Geist, der sucht, wartet, erwartet, ersehnt etwas, und was er findet, ist erkennbar, darum bereits gekannt. Suchen ist die Handlung der Vergangenheit. Aber der Zustand der Suche ist etwas völlig anderes, ist gleicht in keiner Weise dem Suchen; und es ist keine Reaktion, ist das Gegenteil des Suchens. Die beiden sind überhaupt nicht miteinander verbunden.«

»Was ist dann der Zustand der Suche?«

»Er kann nicht beschrieben werden, aber es ist möglich, sich in diesem Zustand zu befinden, wenn ein Verständnis davon herrscht, was Suchen ist. Wir suchen, aus einer Unzufriedenheit heraus, aus Angst, oder nicht? Suchen ist ein Netzwerk von Aktivitäten, in denen keine Freiheit ist. Dieses Netzwerk muss verstanden werden.«

»Was meinen Sie mit verstehen?«

»Ist Verstehen nicht ein Geisteszustand, in dem das Wissen, die Erinnerung oder das Erkennen nicht unmittelbar funktionieren? Um zu verstehen, muss der Geist ruhig sein; die Aktivitäten des Wissens müssen gehorchen. Die Stille des Geistes geschieht spontan, wenn der Lehrer oder der Elternteil wirklich das Kind verstehen will. Wenn es die Absicht gibt, zu verstehen, dann gibt es Achtsamkeit, ohne den Ablenkungen des Verlangens nachzugeben. Dann muss sich der Geist weder disziplinieren noch sich kontrollieren, er wird nicht konzentriert und nicht gezwungen, still zu sein. Keine Anstrengungen, kein Konflikt sind beim Verstehen beteiligt. Wenn man die ganze Bedeutung des Suchens versteht, entsteht der Zustand der Suche. Er kann weder gesucht noch gefunden werden. (…) Der erwachte Geist ist im Zustand der Suche. Es herrscht das Gefühl, grenzenlos zu sein, ein Gefühl der Erleichterung. Der Geist ist still; er strengt sich nicht länger an, sucht nichts mehr; aber er schläft nicht und wartet und erwartet auch nicht. Er ist einfach still und wach.« (…)

»Jener Zustand der Suche ist Gott. Kein Ziel ist zu erreichen, nichts festzuhalten. Das Suchen ohne zu finden, das all die Jahre sich vollzogen hat, brachte dem Herzen keine Bitterkeit noch herrscht Bedauern vor über verlorene Jahre. Wir werden unterwiesen, wir lernen nicht, und darin liegt unsere Tragik. Das Verstehen tilgt die Zeit und das Alter, es fegt die Unterschiede zwischen dem Lehrer und dem Belehrten weg. Ich verstehe und fühle ganz stark. Wir werden uns wiedersehen.«

 

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