Ich und sie

Die Gedankenwelt Jungs verführt mich dazu, gleich noch einmal persönlich zu werden, weil es eine so symbolische, sinnreiche Geschichte ist. Aber dann begeben wir uns wieder an die überpersönlichen Themen. Doch SIE ist eben wichtig.

Bald nach der Einweihung ins Institut lernte ich Giovanna kennen, und diese Beziehung war psychologisch interessant, und wir sind uns heute noch eng verbunden. Giovanna hat eine große Seele und einen starken Charakter. Sie ist in den Marken (italienische Region an der Adria) aufgewachsen. Schon zu ihrer Schulzeit galt sie als »la tedesca«, die Deutsche, weil sie so diszipliniert und streng war. Sie ist heute eine patente Managerin und beliebte Chefin, ehrlich und treu, aber sie kann auch unversöhnlich und stahlhart sein.

Giovanna hat also, um es zu überspitzen, mehr männliche als weibliche Anteile und ist eigentlich mehr Deutsche als Italienerin. Ich währenddessen habe mehr weibliche als männliche Anteile (bin labil, unklar, unentschlossen, dem Dunklen zugeneigt, schwärmerisch …), und ich bin vielleicht eher Italiener als Deutscher: zwar zuverlässig, doch sprunghaft, sonnenverliebt, zukunftslos und genusssüchtig.

Zusammengenommen, sind wir beiden das perfekte Team. Eine kuriose Mischung. Natürlich wäre das echte Ziel (wie es auch Jung sehen würde), dass jeder von uns beiden sich ausgliche. Jedes einzelne Wesen muss ganz und heil werden, auch wenn es natürlich wirkt, dass jeder sich seine »Ergänzung« sucht. Ich müsste also meine männlichen Anteile stärker zu Geltung bringen, sie ihre weiblichen.

Jung wollte die Individuation: Jedes Wesen soll das an sich herausarbeiten, was es in sich spürt. Ich habe da viel versäumt, meist aus Angst, man kennt das; aber es ist noch nicht aller Tage Abend.

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