Das Licht

Es war so dunkel in den ersten Dezembertagen, so grau und so feucht, dass man trübsinnig werden konnte. Man verstand, warum die Alten Weihnachten feierten: Die Tage würden wieder länger werden, die Sonne würde sich zeigen, die stumme Trauer und die Kälte hätten ein Ende. Darum nun zwei Geschichten über das Licht.

Die universelle Lebensenergie Reiki will das Heilverfahren, das diesen Namen trägt, steuern. Sein Ursprung liegt in Japan. Dr. Mikao Usui war christlicher Priester in Japan und wollte herausfinden, wie Christus die Kranken geheilt hatte. Nach jahrelangem Studium kam er zu dem Schluss, dass ihm eine Tiefenmeditation nützen würde. Er sagte seinen Mitbrüdern in der Abtei, dass er sich für einundzwanzig Tage auf den Berg begeben würde, und würde er dann nicht zurückholen, sollten sie doch bitte seinen Körper bergen.

Usui ging auf den Berg und sammelte 21 Steine auf, die er um sich herum legte. Am Ende jedes Tages warf er einen Stein fort. Zwanzig Tage und Nächte passierte nichts. Dann musste er den letzten Stein wegwerfen. In dieser Nacht sah er plötzlich einen Lichterball am Horizont, der langsam näher kam. Als es sich näherte, wollte Usui instinktiv davonlaufen, doch etwas sagte ihm, dass er genau darauf gewartet hatte. Dann traf ihn das Licht direkt auf die Stirn, und augenblicklich wurde er auf einem mystische Reise mitgenommen, auf der er Blasen in den Regenbogenfarben sah, die das Reiki-Symbol enthielten. Mikao Usui kehrte zurück und war ein Heiler. Gleich heilte er zwei Mitbrüder und sich selbst von seiner Unterernährung, und der verbreitete Reiki über die Welt.

Nun noch eine weitere ungewöhnliche Lichterfahrung. Der Regisseur Michelangelo Antonioni erzählte von seinem ersten Versuch, einen Film zu drehen. Es war in einer psychiatrischen Klinik. Er wollte mit Freunden einen Dokumentarfilm über die »Irren« drehen. Der Direktor der Klinik half mit und führte sogar vor, wie sich die Kranken gebärdeten, wenn starke Impulse von außen kämen: Sie würfen sich auf den Boden. Alles wurde danach vorbereitet, die Projektoren aufgebaut, und die Irren arbeiteten willig mir, schrieb Antonioni (in einem Beitrag in Cinema nuovo, März/April 1959). »Ich war aufgeregt.«

»Schlagartig war der Raum in Licht getaucht. Einen Augenblick blieben die Kranken reglos, wie versteinert. Ich habe später nie mehr auf dem Gesicht eines Schauspielers ein solch tiefes, totales Erschrecken gesehen wie auf diesen Gesichtern. Es war ein Augenblick, ich muss es wiederholen, und dann geschah etwas Unbeschreibliches. Die Irren begannen sich zu verrenken, begannen zu schreien und sich auf der Erde zu winden, wie es ihr Direktor zuvor getan hatte.

»Binnen kurzem war der Raum zu einem Höllenort geworden. Die Irren versuchten sich verzweifelt vor dem Licht zu schützen wie vor einem prähistorischen Monster, das sie angriff, und ihre Gesichter, denen zuvor ihre Krankheit nicht anzusehen gewesen war, wirkten verzerrt und zerstört. Und jetzt waren wir wie versteinert angesichts dieses Schauspiels. Der Kameramann hatte nicht einmal die Kraft, seine Maschine laufen zu lassen. Der Direktor schrie dann: ›Stop! Licht ausmachen!‹

In dem Raum, nunmehr im Halbdunkel, sahen sie eine Menge Körper, die sich wie im Delirium oder in der Agonie noch bewegten. »Ich habe jene Szene nie vergessen«, schrieb Antonioni. »Und sie war der Ausgangspunkt dafür, dass wir von Neorealismus zu sprechen begannen. Das geschah vor dem Krieg.«

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.