Vom Gut und vom Schein

An Weihnachten sind sicher wieder viele Gutscheine verschenkt worden, die nehmen nicht viel Platz ein und sind zeitgemäß: flexibel, individuell, unpersönlich, virtuell. 50 Euro beim Radlgeschäft, 100 bei H & M oder gar – beliebt für Brautpaare – eine Woche Relaxen im Wellness-Hotel … und dann liegt er da, der Gutschein, etwas drohend: Lös ihn bald ein!

Der Gutschein hat nichts mit Güte zu tun, sondern mit Ware: Der Schein wird zu einem Gut. Das dachte ich mir, als ich an dem Plakat einer Tanzfirma  vorbeikam, die zu einem Gutschein riet: Schenken Sie Zeit zu zweit! Wie schon gesagt, der Gutschein schenkt dem Beschenkten Flexibilität und sichert beide, Schenkenden und Beschenkten, vor Enttäuschungen ab. Jeder will ja heute möglichst Risiken vermeiden. Doch das hat seinen Preis. Die Freude über den Gutschein wird nicht soo groß sein. Es ist ja ein Papier, einzulösen in der Zukunft. Es ist ein virtuelles Geschenk.

So wird der Akt des Schenkens verdinglicht; man hat da ein Dokument vor sich, das einem Gut entspricht: ein Wechsel wie in der Finanzwirtschaft. Ich löse ihn ein und kaufe mir etwas. Aber dann ist dieses Gut nicht so richtig dem Schenkenden zuordenbar. Ich habs mir selber gekauft, und später werde ich nie sagen: Der Pullover ist von der und der; die Fahrradlampe hat mir der geschenkt.

Und irgendwie wird der Vorgang des Schenkens abstrakt. Der Kaufmann bekommt sein Geld und hat höheren Umsatz gemacht; doch erst später muss er die Ware dazu herausgeben. Ich hole mir das Gut im Februar, doch es war eigentlich ein Weihnachtsgeschenk. Und das Sich-selber-Beschenken wird zu Arbeit: Was kaufe ich mir? Es ist dann richtig für mich, was ich mir kaufe, jedoch widerspricht es dem Geist der Schenkung, die mir ja auch zeigt, ob der andere mich verstanden hat.

 

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