Fernsehen, Film, Sexualität

Ich weiß nicht, wie es kam, aber ich glaube, dieses Jahr 2015 bis Anfang März jede Tatort-Folge gesehen zu haben. Die zweite Sendung, die ich regelmäßig verfolge, ist die Sportschau im Ersten, wegen der Fußball-Bundesliga. Und auch internationale Spiele. Bin halt doch ein Normalo.

Fernsehen. Fußball und Tatort sind Parallelwelten, in denen dieselben Regeln gelten wie in der realen Welt. Theodor W. Adorno schrieb 1966, das Fernsehen habe die Tendenz, »das Bewusstsein des Publikums von allen Seiten zu umstellen und einzufangen«. Es mache die Menschen vermutlich »nochmals zu dem, was sie ohnehin sind, nur noch mehr so, als sie es ohnehin sind«. Fürs Fernsehen ist die Welt die Welt, gut abgedichtet gegen Utopien und Visionen. (Was manchmal Vision heißt, ist meist nur eine Geschäftsidee.) »Je vollständiger die Welt als Erscheinung, desto undurchdringlicher die Erscheinung als Ideologie.«

Weil nun die Welt langweilig ist und alles abgesichert und versichert, tut man sich an ihren Rändern um. Man möchte böse sein und zeigt das Böse, und man verwendet höchste Kunst darauf, das Böse böse zu gestalten und die Bedrohung bedrohlich. Beim Ästhetischen ist das Fernsehen super, wie man überhaupt überall Stilwillen ohne Konzept dahinter bemerkt. Die Regisseure benützen ungeniert Motive aus Kunstfilmen. Nur die Geschichten sind öde, weil sie sich an der Normalwelt messen wollen und nicht über sie hinausgehen dürfen.

Grausam und düster muss es sein. Je düsterer, desto besser. Wieso eigentlich? Sind wir auf der Welt, anderen eine böse Welt vorzuspielen? Ich fordere, dass mein Geld an die Öffentliche-Rechtlichen zur Herstellung positiver Werke dient!

Auch der Leipzig-Tatort war sehr gut gemacht, musste aber leider eine erschreckend voraussehbare Geschichte erzählen. Und weil man merkt, dass es langweilig ist, garniert man die Episoden mit Lesben und Homos, mit Vätern, die ihre Töchter missbrauchen und mit Lehrern, die Sado-Maso-Studios im Keller haben. Leidenschaftlichen Sex können die Autoren sich nur unter Drogen vorstellen (im Kiel-Tatort). Vielleicht träumen ja Lehrer und Drehbuchautoren davon; es ist die Lockung des »Gefährlichen«, das sich dann, umgesetzt ins Leben, als erschreckend banal entpuppt. Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

Deshalb hatte auch die Buchreihe Fifty Shades of Grey Erfolg. 100 Millionen Leute haben sie angeblich gelesen. Soll ein schwaches Buch sein, aber für die schwachen Leser brauchen wir schwache Autoren, sagte einmal Nietzsche. Das Buch ist verfilmt worden, es wird viele Folgen geben, und auch da werden viele Millionen Menschen dabei sein, wie überhaupt die Vernetzung zu einem früher unerreichten Niveau der Vermassung geführt hat, was dennoch folgenlos bleibt, denn Unterhaltung will und wird nichts verändern. Sado-Maso ist ein Partialtrieb wie das Verbrechen. Warum will der Bürger nur böse und sadistisch sein? Dazu fehlt ihm doch das Talent.

Der Film bringt nicht richtig rüber, was jemand empfindet. Nicht einmal normale Liebesgeschichten können da deutlich werden, da man ja nur Bilder sieht und die Worte meist nur Beiwerk sind. Fernsehen und Film bleiben an der Oberfläche, nur ein Roman dringt ins Innenleben. Wie vermittelt man die Erregung eines einzelnen Menschen? Die höchst spezifische Erregung, die ein Sadist oder Masochist nur empfindet, weil eine Szene ausgespielt wird, die für ihn hohe Bedeutung hat, ist vom Film unmöglich wiederzugeben.

Darum bleibt das alles ein Witz, der noch dadurch gesteigert wird, dass Konsumenten Sex-Gadgets kaufen und das, Sado-Maso, auch mal ausprobieren wollen. Das ist dann irgendwie Fasching, Karneval, Fasnacht. Hauptsache unterhaltsam. Man muss sich darüber nicht aufregen, es zeigt nur, dass die Leute wie die Kinder sind.

 

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