Flugverkehr (45): zum Vogel werden

Die Amerikanerin Felicitas D. Goodman (1914-2005) wandte sich mit 51 Jahren dem Schamanismus zu, studierte und hielt dann Seminare ab, oft in Europa. Die Teilnehmer fielen in Trance und dann erzählten sie, sie hätten  Tiere getroffen oder sich in solche verwandelt; auch in Vögel.

Frau Goodman stieß bei ihrer Arbeit »im Feld« (also auf Reisen) und in Museen auf Statuetten und Abbildungen, die rituelle Körperhaltungen darstellten. Wenn man bedenke, schreibt sie, auf welche vielfältige Weise wir Arme und Beine halten könnten, den Körper biegen, legen und stellen könnten, dann sei es erstaunlich, dass die Haltungen weltweit auf etwa 30 zu reduzieren seien. Sie waren in Usbekistan bekannt wie bei Indianern in Mexiko, und die Zeugnisse sind manchmal zweitausend Jahre alt.

Bei ihren Seminaren sollten die Teilnehmer eine gewisse Positur nachahmen, dann schwang die Leiterin ihre Rassel, und bald fielen zuverlässig fast alle in Trance. Später erzählten sie, was ihnen im Traumreich widerfahren war. Die Zitate stammen aus Goodmans Buch Where the Spirits Ride the Wind (1990).

Franz erzählte (1986): »Ein Vogel erschien vor mir. Er hatte einen schwarzen Körper, einen vielfarbigen Nacken und trug eine kleine Krone. Der Vogel tanzte lange vor mir herum. Ich war an einem komischen Berg; er war innen hohl wie ein Vulkan und relativ hoch. Der Vogel und ich kletterten denBerg hoch, dann trug mich der Vogel den Rest des Wegs.«

Walter aus den Niederlanden hatte (1984) folgendes Erlebnis: »Ich konzentrierte mich darauf, ein Reiher zu sein, der flog, der kreiste, über seichtem Wasser anhielt, um zu fischen, der auf einem Nest landete. Am nächsten Morgen saßen meine Frau und ich in unserem kleinen Garten in Amsterdam. Innerhalb einer Minute füllte der mächtige Lärm eines Reihers die Luft, und der Reiher beschrieb einige Minuten lang niedrige Kreise über unseren Köpfen. Wer lebten seit fünfzehn Jahren in dieser städtischen Zone, und so etwas war uns bislang noch nie passiert.«

Elizabeth R.: »Und als ich mir der Wolken bewusst wurde, bemerkte ich, dass ich flog, dass ich ein Vogel war, ein großer, sehr großer Vogel, und ich flog eine Weile herum, sah alle Arten von Veränderungen auf der Erde, Erdbeben und Bewegungen von Landmassen aus dem Ozean hervor. Es machte mir keine Angst. Ich beobachtete nur. Ich flog höher und höher und schien zu diesem Licht gezogen zu werden, das schließlich die Sonne wurde. Als ich mich der Sonne näherte, konnte ich fühlen, wie die Federn brannten und abfielen, wie die Haut schmolz und abfiel, wie die Knochen immer trockener wurden, und dann wurde ich zu Staub. Als Staub durchquerte ich die Sonne hinüber zur anderen Seite. Ich verbrachte lange Zeit in Dunkelheit, als Staub, und dann war nichts mehr, es war sehr friedlich. Es war einfach wunderbar.«

Felicitas Goodman bemühte sich um eine Erklärung. Diese uralten Körperhaltungen, die in schamanistischen Ritualen eingenommen wurden, hätten eine innere Kraft. Vielleicht seien mit ihnen morphogenetische Felder verbunden (ein Konzept von Rupert Sheldrake), die wieder aktiviert werden könnten: Die Teilnehmer erlebten, was andere vor Jahrtausenden schon bei Ritualen erlebt hatten. In Trance trieben sie in einer anderen Dimension herum und machten Erfahrungen der Menschheit mit Göttern. Es sind ungeheure Erfahrungen, die uns in Kontakt mit archaischen Mythen bringen – und die gewiss auch mit uns zu tun haben. In Deutschland gibt es sogar ein Felicitas-Goodman-Institut (Südergellersen), das mit solchen Körperhaltungen arbeitet.

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.