Marx und Engels auf Primrose Hill

Friedrich Engels aus Wuppertal finanzierte Karl Marx aus Trier eine hübsche Villa auf Primrose Hill in London. Als er sich auch dort niederließ, wurde eine Männerfreundschaft gelebt, und zusammen mit anderen Sozialisten erfreuten sich die beiden an Austern und Champagner. London wurde so ungeahnt zum Ausgangspunkt einer gründlichen Veränderung der Welt.

Tina und ich gingen zu einem Vortrag von Dr. Tristram Hunt (was für ein exquisiter Vorname ― der köstliche Tristram Shandy von Laurence Sterne war ein Bestseller des 18. Jahrhunderts) in einem Raum am Friedhof von Hampstead Heath. Der Referent brachte britischen Humor mit und entführte uns in die Welt der Weltverbesserer des 19. Jahrhunderts.

marxindexFriedrich Engels war Sohn eines begüterten Fabrikbesitzers, litt unter den schlimmen Bedingungen der Arbeiter und war entschlossen, etwas zu ändern. Er lernte Karl Marx kennen, der ihm (wie er erkannte) geistig überlegen war: ein Genie, egozentrisch und arrogant wie alle Genies. Engels arbeitete 20 Jahre (von 1850 bis 1870) für seinen Vater in Manchester und schickte Marx immer wieder Geld, insgesamt 300.000 Pfund. (Illustration: ein Porträt von Marx in einem Buch von Wilhelm Joseph Blos)

1870 dann fand Jenny Marx für Friedrich Engels eine schöne Villa in ihrer Nähe, zehn Minuten zu Fuß (»nahe, aber nicht zu nahe«, meinte Tristram Hunt, der übrigens standesgemäß Abgeordneter der Labour ist, der Arbeiterpartei), und Engels kam. Er wanderte oft mit seinem Freund herum, sie redeten stundenlang, es gab Parties bis zwei Uhr morgens, und August Bebel war auch manchmal dabei, der Begründer der Sozialdemokratie. Er meinte immer nur: »Drink, young friend!«

So sieht es auf Primrose Hill aus - da philosophiert man gern

So sieht es auf Primrose Hill aus – da philosophiert man gern

1867 erschien der erste Band von Das Kapital, »in gewissem Sinn ein religiöser Text« (Tristram Hunt). Das Kommunistische Manifest war schon 20 Jahre zuvor veröffentlicht worden. Es begann mit dem berühmten Satz Ein Gespenst geht um in Europa ― das Gespenst des Kommunismus. Eigenartig, dass es fünf Wochen vor der Kommunikation der Fox-Schwestern in Hydesville, New York, mit einem Geist erschien, was zur Welle des Modernen Spiritualismus führte, die bald ganz Europa überschwemmen sollte. Der letzte Satz des Manifests heißt: Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

Die Spiritualisten feierten Triumphe, aber die Vereinigung gelang ihnen nicht. Als Lenin von seinem Züricher Exil 1917 im Eisenbahnwaggon zur Revolution nach Moskau reiste, war es mit ihrer Geister-Bewegung nach 70 Jahren fast schon vorbei (nur nach dem Krieg kam es zu einem Aufflackern, weil viele mit verstorbenen Soldaten sprechen wollten). Mit dem Marxismus-Leninismus fing es da erst an, und er gedieh auch 70 Jahre lang, bis 1989.

Karl Marx starb 1883, bald nach dem Tod seiner Frau Jenny und seiner gleichnamigen Tochter. Nur elf Personen nahmen am Begräbnis teil. Friedrich Engels hielt die Grabrede. Er selber starb 12 Jahre später, und seine Asche wurde im Meer verstreut.

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