Oskar Maria Graf

Der 50. Todestag von Oskar Maria Graf hat sich gejährt, ich muss ihn nachtragen. Im Sommer 1967 starb der bayerische Schriftsteller in New York, wo er 30 Jahre gelebt  und das er gewöhnlich in Lederhosen durchstreifte, um sich nicht ganz verloren zu fühlen. Zur Welt kam er in Berg am Starnberger See.

Ein g’standenes Mannsbild, ein aufrechter Bayer war er. Oskar Graf lernte Bäcker, ging dann aber nach München, um Schriftsteller zu werden. Nahm im Ersten Weltkrieg an Streiks teil, kam deshalb ins Irrenhaus. Er engagierte sich für die bayerische Räterepublik und war Dramaturg an der Münchener Arbeiterbühne. Er war es, der 1934 empört darüber war, dass seine Werke von den Nazis nicht verbrannt wurden.

Verbrennt mich! […] Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!  

Danach musste er emigrieren und kam 1938 nach New York City. Im Sommer 1958, als ich ein Jahr alt war, trat er in München auf und löste einen Skandal aus, weil er im Theater partout in der Lederhose auftreten wollte. Wikipedia nennt fast 50 Werke. Das Leben meiner Mutter kenne ich, Wir sind Gefangene ist eine Autobiografie von 1927, und aus den Kalendergeschichten lese ich gern meiner Mutter vor.

Man muss Oskar Maria Graf unbedingt neben Ludwig Thoma nennen und jenen als dessen Nachfolger bezeichnen. Aber da gab es viele wunderbare Poeten, denken wir an Peter Paul Althaus mit seiner Traumstadt. Das ist alles gut beobachtet und mit Humor, aber auch mit einer Prise Pädagogik geschildert. Ludwig Thoma entpuppte sich ja leider als Antisemit; Graf steht auf Seiten der Schwachen und gießt seinen Spott über die Heuchler und Raffer aus.

Kürzlich meiner Mutter Die Watsch’n vorgelesen. Der Loisl wirtschaftet gut und hat Geld. Sein Nachbar, der Meiserer, kommt vorbei und fragt, wie es beim Loisl mit dem Heiraten stünde? (Der Meiserer ist knapp bei Kasse, hat aber zwei hübsche Töchter.) Loisl meint, die Amalie könne ihm schon gefallen. Die Kandidatin kommt vorbei, bemäkelt aber den Zustand von Stube und Schlafzimmer. Kann man ändern, sagt der Loisl, steckt Geldscheine ein und fährt nach München. Ordert Möbel.

Der Möbelchef ist skeptisch: Dieser abgerissene Typ streckt ihm da Geldscheine entgegen? Geht das mit rechten Dingen zu? Er holt einen Polizisten, doch ein Anruf beim Bürgermeister klärt alles. Da wird der Möbelchef blass und lenkt ein; er will seine Möbel verkaufen und das Geld, klar. Da haut ihm der Loisl eine Watsch’n herunter, doch der Möbelchef steckt sie ein, entschuldigt sich … Doch der Loisl sagt, er braucht jetzt keine Möbel mehr. Plötzlich beklagt sich der Möbelchef beim Polizisten: Er sei verletzt worden! Der Polizist aber reagiert nicht. Er hätte doch gerade gesagt, ihm sei nichts geschehen?

Aufrecht, ja. Odyssee eines Einzelgängers heißt eine Biografie von Wilfried F. Schoeller. Grafs Leben steht für das chaotische 20. Jahrhundert, das die ganze Welt umstürzte, und das alles ging – leider – von München aus.

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