Saft vom Bauern

Der Spruch Think global, act local ist nicht gut ins Deutsche zu übersetzen. Ich beschäftige mich zwar intensiv mit Problemen kosmischer Art, aber handle ich auch local? Vor kurzem wurde ich beschämt. Ich wühlte mich mit meinem Rad durch schlammige Wege in den Reben, unten in der Ebene sah man schön Laufen und St. Ilgen, und eine Frau hatte dort in den Reben zu tun. Ich unterhielt mich mit ihr.

Sie komme aus St. Ilgen, sie hätten hier oben Weinreben und unten einen kleinen Bauernhof mit Kartoffeln, Zwiebeln und naturtrübem Apfelsaft. Ich warf ein, dass ich den meinen immer im kleinen Supermarkt in Sulzburg kaufte, das Produkt eines großen Abfüller in der Gegend. Das kommt nicht oft vor, ich trinke ja lieber Bier. Die Frau lächelte vielsagend und meinte: »Ach, der Abfüller, der die Äpfel tonnenweise aus Rumänien holt!« Ihren Apfelsaft gäbe es drunten in Laufen zu erwerben, Selbstbedienung, da sei immer offen.  

Stimmt, warum kaufe ich eigentlich den Apfelsaft aus dem Großbetrieb? Ich werde künftig also die zwei Kilometer nach Laufen radeln und mir den naturtrüben Saft vom regionalen Hersteller holen. Die Kartoffeln kaufe ich bei einem jungen bayerischen Bauern aus Bollschweil, der auf dem Markt in Dottingen jeden Mittwoch Gemüse anbietet. Wenn wir nicht gedankenlos im großen Supermarkt unseren Wagen vollladen, sondern die regionalen Produzenten bevorzugen, wenn es um frische Produkte geht, handeln wir regional: We act local 

Auf dieser Bank konnten früher Frauen auf dem Weg zum und vom Markt ihre Lasten ablegen, die sie vielleicht auch auf dem Kopf trugen

Bezüglich des geplanten Supermarkts bei mir wurde ja von Kaufkraftabflüssen geredet. Das ist natürlich Unsinn. Wer in einem hiesigen Supermarkt kauft, hilft vermutlich den zehn Frauen, die dort Teilzeitstellen bekleiden, aber 95 Prozent des Umsatzes gehen vermutlich in die Zentrale, und die sitzt in Köln oder sonstwo. Wenn wir in Tunesien im Hotel Urlaub machen, ist das genauso: Geholfen wird den paar Bediensteten, aber 95 Prozent der Einkünfte fließen ins Hotelimperium, landen auf Konten auf den Bahamas oder den Bermudas; zumindest stelle ich mir das so vor. 

Wenn wir schon nicht den Leuten in unserer Umgebung helfen, wer dann sonst? Wenn die Produzenten um uns herum aufgeben müssen, weil die Kohle nicht reicht, werden wir zu den Geiseln ferner Strukturen, und alles wird so abstrakt. Die Dörfer veröden. Zu wissen, dass der Apfelsaft, den ich trinke, von den Bäumen zehn Kilometer weiter kommt, der Wein vom Berg da oben und die Kartoffeln von einem Feld in Bollschweil, ist das ein besseres Gefühl. Dafür muss ich vielleicht ein paar Kilometer weiter fahren, aber es fahren ja alle immerzu. Der bewusste Konsument könnte vieles ändern. Wir gestalten unsere Welt.

 

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