Trügerischer Friede

Ach, das war wieder schön gestern: Warm eingepackt am Nachmittag zwei Stunden mit dem Rad um den Flugplatz Eschbach gefahren, dann heim in die warme Wohnung. Mich umgezogen, Weißbier eingegossen, Pfeife entzündet, Computer angemacht und … das hier geschrieben. Die Flocken tanzten im Wind. Kein Mensch. Friede.

Mitte Januar hatte ich mal wieder mein I-Ging-Orakel geworfen, das so glückhaft am Anfang von manipogo im August 2012 stand. Diesmal kam Nr. 11, Der Friede. »Der Himmel hat sich unter die Erde gestellt. So vereinigen sich ihre Kräfte in inniger Harmonie. Dadurch entsteht Friede und Segen für alle Wesen.« Das Zeichen sei dem ersten Monat (Februar/März) zugeordnet, in dem die Kräfte der Natur den neuen Frühling vorbereiteten. Davon ist nun noch nichts zu spüren.  

Jedoch hatte sich im Verborgenen etwas angebahnt, was meinem Orakel entgangen war. Ich fuhr nach München, und hinterrücks überfiel mich Liebeskummer. Amors Pfeil kam aus der Vergangenheit und traf mich mit Verspätung, aber darum nicht weniger schmerzhaft. Gut, das kommt alle paar Jahre vor. Verliebtsein ist ja ein schöner, gesegneter Zustand, wenn man nicht den Anspruch hat, die Geschichte ins Konkrete wenden zu wollen. Aber wer wollte so vermessen sein! Wir sind ja nicht im Film. — Dann tauchte ihr Name, der nicht sehr häufig ist, in dem einen oder anderen Buch auf, auch weitere seltsame Zufälle dort draußen im Leben gab es, und man sah wieder: Die Außenwelt ordnet sich deiner Innenwelt unter. Du streust Gedanken aus, die sich konkretisieren. Worte und Gedanken wirken aber nur, wenn sie von Emotionen getragen sind. Der Magier weiß, dass seine Intention entscheidend ist. (Foto: Der Engel trifft die Heilige Teresa: mit dem Pfeil. Plastik von Bernini, Rom 

Langsam nähere ich mich derzeit dem Thema Quantentheorie, die ich ja kenne, die ich aber für mein Buch über die Zeit schlüssig darlegen will. Heute nur ein Vorgeschmack: Wenn man ein Elektron auf eine Platte mit zwei Schlitzen schickt (der erste Versuch ist von 1802, Thomas Young), dann testet es beide Varianten; es ist geisterhaft auf beiden Wegen (oder auf fünf Wegen, wenn es sie gibt) anwesend, und erst die Messung legt es fest und entscheidet, was konkret geschieht, was Niels Bohr in seiner Kopenhagener Theorie den »Zusammenbruch der Wellenfunktion« nannte.  

Aber Schrödingers Wellenfunktion, die das Elektron trägt, gibt es gar nicht; es ist nur eine Wahrscheinlichkeitswelle. »In Wirklichkeit«, was immer das heißt, war das Elektron auf allen zwei (oder fünf) Wegen phantomartig anwesend, »schmeckte« in beide »hinein«, und Hugh Everett II hat 1957 sich deshalb seine »Viele-Welten-Theorie« erdacht: Die beiden (oder die fünf) Wege waren gleichermaßen real, das Universum hat sich in zwei oder fünf Versionen aufgespalten, und nur in dem einen, in dem wir gerade sind, ist es durch Schlitz drei geflogen und aufgeprallt. Und so entstehen in jeder Sekunde viele Universen neu, viele Welten: bei jeder Entscheidung eines.   

Der Autor in vielen Leben. (Casino Knokke, Belgien, 2012)

Das ist natürlich verrückt, alle Physiker wissen das, und doch ist es eine anerkannte Theorie, die einen über das hinwegtrösten kann, was nicht geschehen ist, weil es ja doch geschehen ist und irgendwo in einem vagen Universum vorhanden, langsam verblassend, aber da. Alles, was geschehen könnte, beeinflusst das, was wirklich geschieht, und was geschieht, ist eben gerade nur das wahrscheinlichste Ereignis, − aber nicht das einzige.

Ich habe eben heute Parallel Universes (1988) von Fred Alan Wolf angefangen und werde noch mehr darüber lesen. Im Februar hatte mein I-Ging noch Die Dauer zu bieten und Der Rückzug, aber ich sollte nicht dauernd meine Münzen werfen. Was passiert ist, ist vielleicht nicht so entscheidend, und was nicht passiert ist, auch nicht. Materie ist biegsam, die Ereignisse sind wie tanzende Schneeflocken, der Windrichtung und dem Zufall unterworfen, und alles ist da, nur manchmal verborgen.               

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