Kanadier am Radweg

Vor einer Woche erlebte ich auch etwas Verrücktes, das mich an den gestrigen Hammer denken ließ (der schon geschrieben war). Ich fuhr bei Kälte auf dem Radweg von Heitersheim nach Dottingen, und kurz vor dem Ort standen zwei junge Anhalter und wollten nach Heitersheim mitgenommen werden, um den Zug nach Donaueschingen zu nehmen. Es waren zwar keine Kanadier, aber sie hatten einen Kanadier bei sich, in dem ihre Rucksäcke lagen: ein drei Meter langes Kanu. 

Die beiden Jungs hatten das Boot (englisch canoe, aber es war ein Kanadier) schon zwei Kilometer von Ballrechten heruntergeschleppt  und hofften wohl, dass sie ein Handwerker mit seinem Lastwagen mitnehmen würde. Hinterher kam es mir irreal vor. 

Mann in Kanu, um 1900 (Library of Congress)

Sie waren vielleicht 18 Jahre alt, einer hatte eine schwarze Mütze auf; den anderen fror es in den Fingern. Sie wollten von Heitersheim den Zug nehmen, das Kanu also ins Fahrradabteil wuchten. Dann nach Donaueschingen und auf der Donau schippern. Das Gefährt war unten weiß und oben rot und sah so mitgenommen aus, als hätte es 20 Jahre auf dem Lake Manitoba hinter sich. 

Ich sagte, es sei zwar kalt, werde aber schon morgen wärmer. Drei Lastwagen kamen vorbei, und natürlich hielt keiner an. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass heute oder in den nächsten zehn Tagen einer anhalten würde, denn man müsste erst gemeinsam das Kanu hochhieven und es dann wieder ausladen; wer tut sich das an?  Mir fiel leider kein Bekannter mit Lastwagen ein, und hätte ich meinen Volvo vor der Tür stehen gehabt … Ich empfahl mich und meinte, ich würde ihnen geistig einen Lastwagen vorbeischicken.   

Zu Hause aß ich schnell ein Brot, und dann fiel mir ein, dass ich sie fotografieren könnte. Das war ja doch verrückt, ein Kanadier aus Holz am Radweg bei Dottingen! Ich radelte also wieder die eineinhalb Kilometer dorthin. Und dann waren sie nicht mehr da.  Das war noch verrückter. Es hatte sie jemand mitgenommen! Denn ich war nur zehn Minuten weg gewesen, der Platz war leer, und getragen haben sie das Kanu nicht, da hätte ich sie gesehen. Da sieht man es: Man braucht nur Vertrauen und/oder das Glück des Narren, der Karte mit der Nummer Null im Tarot.   

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Zur Illustration dachte ich mir:Wo kriege ich ein Kanu her? Da fiel mir der Lederstrumpf von James Fenimore Cooper (1789–1851) ein, dieses großartige Buch in fünf Teilen, das ich als 15-Jähriger gelesen hatte. Toll waren die Zeichungen eines gewissen Z. Burian, und darunter standen so mysteriöse Sätze wie »Unkas streckte den Huronen mit einem einzigen Streich nieder« oder »Die Umrisse des zerstörten Forts verschwanden allmählich im Dunkel« (so, versal). Diese Sätze hatten für mich Jungen magischen, düsteren Glanz.

Wildtöter und Judith saßen schweigend im letzten Kanu

Hier oben habe ich versucht, schnell einen Burian nachzuzeichnen. Die Originale sind natürlich unvergleichlich. Zdenek Burian (1905–1981) war ein tschechischer Zeichner, der durch Urweltbilder und auch durch seine Tarzan-Illustrationen bekannt wurde. Jetzt weiß ich also, wem ich diese Jugendeindrücke verdanke.  — Der Platz mit den Jungen war leer. Es muss sie gegeben haben. Sie hatten wörtlich gesagt: »Wir haben es von Ballrechten heruntergeschleppt.« Und ein Engel kam vorbei.

 

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