Hinter den Schleiern – Jenseitsforschung (III)

Das von heute ist natürlich mein Lieblingsstück von allen Essays: Geist und Gehirn, andere Dimensionen. Das hat damals die Letue von dem Freiburger Kleinverlag erschreckt, sie wollten ihre heilige Schriftenreihe bewahren, und das hier war ihnen zu wenig ausgewogen. Verlagsleute sind wie Physiker und Journalisten: Sie wollen nichts Mystisches. Dabei sind das Fakten, meine ich.  

Pim van Lommel meint, es müssten unsere altgewohnten Vorstellungen von Gehirn und Bewusstsein neu überdacht werden: Denn da hätten Menschen ohne Gehirnaktivität etwas wahrgenommen, und sie wiederholten ihre Erzählungen fast gleichlautend acht Jahre danach. Da kontern nun andere mit dem Argument, das Gehirn sei wohl nicht ganz tot gewesen und habe noch »gezaubert«. Raymond Moody sagt darauf, nach der Definition des Todes von 1890 und 1930 hätten die NTEs das Leben nach dem Tod bewiesen.

Warum sollte man nicht die letzte Grenze kurzzeitig überschreiten können? Jedenfalls klingen all die Nahtod-Erlebnisse ähnlich, jedoch auch nicht so ähnlich, dass sie wie »nacherzählt« wirken; es waren reale, in sich geschlossene Berichte und hatten nichts mit den chaotischen, bizarren Bildern zu tun, die von den letzten Zuckungen eines »sterbenden Gehirns« zu erwarten wären.  

In der Antike schon sagte der berühmte Arzt Hippokrates, das Gehirn sei bloß der »Übersetzer des Bewusstseins«. Der kanadische Neurologe Wilder Penfield meinte in The Mystery of the Mind, das Bewusstsein bediene sich einer anderen Energie als das Gehirn mit seinen Neuronen; im Tod scheine es zu verschwinden, doch es müsse nur eine Verbindung zu einer anderen Energieform herstellen, als sie das Gehirn bereitstelle. Englische Parapsychologen hielten ein unabhängiges Bewusstsein für möglich, das dann das Gehirn »bewegen« müsse durch Telepathie; und sogar der Neurologe Sir John Eccles dachte in diese Richtung. Bestechend wirkt hier das Bild vom Gehirn als Fernsehgerät und dem Bewusstsein als Fernsehprogramm: Wenn der Fernseher kaputt ist, läuft das Programm trotzdem weiter.

Über das Bewusstsein wissen wir noch zu wenig. Dass wir dies hier lesen und wissen, dass wir es sind, die das lesen, zeichnet uns Menschen aus. Der in den USA lehrende Soziologieprofessor Roland Benedikter meint, Körper und Psyche wären eingehend erforscht worden, nur das Ich sei noch der »dunkle Kontinent«. Das Ich, das „bewusste Bewusstsein“ – im Gegensatz zum Unterbewusstsein, das mit dem Ich das Selbst bildet – sei subjektiv-objektiv konstruiert und bilde sich um ein »gänzlich unverstandenes Kern-Ich«, und zu erfassen sei es »im Schnittpunkt von Innenzugang und Außenzugang, also von Materie, Geist und Seele«. Vor allen Dingen dürften wir, streng logisch betrachtet, Gehirn und Bewusstsein nicht zusammen denken, denn es ist das Ich, das »Ich« oder »Gehirn« sagt; wenn das Ich den Begriff „»Gehirn« nicht hervorgebracht hätte, gäbe es ihn nicht. Das Bewusstsein ist also in der empirischen Logik dem Gehirn »vorgeordnet«.  

Die geistige Welt

Und es reicht vielleicht in »heilige« Räume hinein. Der orientalische Sufismus spricht von Hurqâlyâ, einem geistigen Reich der Visionen; der Zen-Buddhismus kennt die »Himmlische Vernunft«, die man zulassen und handeln lassen solle; in der jüdischen Kabbalah gehört dieses Reich zu Chockmah, der Weisheit, einem der zehn göttlichen Sefiroth. In vielen Religionen existiert der Mensch in zwei verschiedenen Zuständen: im iranischen Mazdaismus etwa im irdischen mênôk-Zustand, gleichzeitig unsichtbar und subtil in „gêtîk; im Sufismus leben wir hier in molk, aber auch unsichtbar in Malakut. Unser geistiger »Schatten« ist dort tätig, und es war nur natürlich, dass man ihn als anderen Körper bezeichnete.

Der japanische Philosoph Yasuo Yuasa nennt das Meridiansystem des Körpers einen »unbewussten Quasi-Körper«, was stark an den „»Astralkörper« der Okkultisten erinnert. Der Arzt Paracelsus schrieb vor 500 Jahren, der Mensch habe »zween leib, ein elementischen und ein siderischen«, und dieser »ist nicht greiflich sonder wie ein geist«. 1766 schrieb sogar Immanuel Kant von der Möglichkeit, »daß die menschliche Seele auch in diesem Leben in einer unauflöslich verknüpften Gemeinschaft mit allen immateriellen Naturen der Geisterwelt stehe, daß sie wechselweise in diese wirke und von ihnen Eindrücke empfange«.

Vielleicht sind wir ja schon in der »Unendlichkeit des nonlokalen Bewusstseins«, wie es Stephan A. Schwartz nannte, und wenn wir das Gefühl haben, diesen Raum im Traum oder bei einer Vision »betreten« zu haben, wird uns unsere Anwesenheit nur bewusst. In der spirituellen Welt ist sich nahe, was sich ähnlich ist; in der materiellen Welt können auch Gegensätze zusammenleben. Ob wir das unsichtbare Reich nun Hurqâlyâ nennen, Geisterreich, spirituelle Welt, Dreamtime, Quantenwelt, kollektives Unbewusstes, Chockmah oder fünfte Dimension – in ihm sind wir untereinander verbunden, und in dieser anderen Dimension (nicht sichtbar, aber gleichzeitig hier präsent) finden die Verknüpfungen statt, die sich – materialisiert oder zu Bewusstsein gekommen – als paranormale Phänomene ausprägen.

Ist dieser Raum gleichbedeutend mit dem Jenseits? Das nun ist eine Gleichung mit zwei Unbekannten. Viele »gechannelte« Bücher aus den Jahren von 1860 bis 1940 – nach Diktat aus dem Jenseits entstanden – liefern uns Modelle der spiritistischen Welt und Entwürfe dazu, wie es nach dem Tod weitergehen könnte; der Amerikaner Robert Crookall hat Aussagen darüber recht überzeugend sortiert und kommentiert.  Ohne den physischen Körper ist man auf sein geistiges »Double« angewiesen, das in der »anderen Welt« gestalterisch weitreichend tätig werden könnte. Es wird ein langwieriger Lernprozess sein. Aber vielleicht ist das schon mehr, als man dazu sagen hätte dürfen.

Teil IV folgt

 

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