Was bist du für ein Ding?

Da draußen in der Welt ist eine Menge los. Ich will etwas haben; oder ich will etwas nicht. Appetit und Ärger sind beide positiv. Der eine ist unterwegs zu den schönen Dingen, sie sich zu holen; der zweite verteidigt sich. Aber beide müssen sich dem Intellekt unterordnen. Wir müssen uns kennenlernen. Den Gedanken hat Abu Hamid Muhammad al-Ghasali (gestorben 1111) noch ausgebaut.

Ghasali schrieb: »Wisse, dass der Schlüssel zur Erkenntnis Gottes die Erkenntnis der eigenen Seele ist. Darum wurde gesagt: ›Wer seine eigene Seele kennt, kennt seinen Herrn.‹ Darum sagte auch Gott: ›Wir werden ihnen Unsere Zeichen an den Horizonten und in ihren Seelen zeigen, bis es ihnen klar wird, dass Er die Wahrheit ist.‹« 

»Kurz gesagt, niemand ist dir näher als du selbst. Wenn du dich selbst nicht kennst, wie willst du den andern kennen wollen? Außerdem magst du denken, dich zu kennen und dich irren, und dieses Wissen ist dann nicht der Schlüssel zur Erkenntnis der Wahrheit. Die Tiere wissen soviel auch von sich − wie du, wenn du von dir nicht mehr kennst als die Außenseite: Kopf, Gesicht, Hände, Füße, Fleisch und Haut. Von deiner inneren Dimension weißt du etwas, wenn du hungrig bist: Dann isst du Brot; und wenn du wütend bist, dann fällst du über einen anderen her, und wenn dein Appetit herrscht, vollziehst du den Geschlechtsakt. Das können die Tiere auch.« 

»Deswegen musst du deine eigene Wirklichkeit suchen. Was bist du für ein Ding? Von woher bist du gekommen? Wo wirst du hingehen? Für welche Aufgabe bist du an deinen Aufenthaltsort gekommen? Warum bist du erschaffen worden? Was und wo ist dein Glück? Was und wo ist deine Gemeinheit?«    

(zitiert in: Sachiko Murata, The Tao of Islam, 1992, S. 230)

     

 

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