Die Mitläufer

So wäre es gegangen, denke ich mir: Die Mitläufer. Oder? Nein, doch nicht. Das Buch heißt auf Englisch Someone to Run With, und wegen dieses »magischen« Titels entlieh ich es. Der Hanser-Verlag verkauft ihn als Jugendbuch, und da heißt es Wohin du mich führst. Na ja, Jemand, mit dem man laufen kann klänge wohl etwas schwerfällig. Rasantes Buch, super spannend und eine Liebesgeschichte auch. Und eine vortreffliche Hunde-Geschichte. Und die Heldin, Tamar!

Der Autor ist David Grossman, und ich hätte gern gewartet mit meiner kleinen Rezension bis zu seinem 60. Geburtstag; nun war der schon am 25. Januar, also zu spät, aber Wassermann ist der israelische Autor auch. Sein jüngstes Buch erschien vor einem Jahr, heißt Aus der Zeit fallen und ist eine Erzählung über den Tod seines Sohnes Uri, der im Sommer 2006 im Libanon-Krieg starb. Someone to Run With kam 2000 in Israel heraus und 2003 in Großbritannien. Grossman hat wohl an seine Kinder gedacht, denn am Anfang steht: For my children – Yonatan, Uri, and Ruti 

So macht das ein Meister: Er zaubert ein paar Szenen hin, die rätselhaft bleiben, aber doch zum Weiterlesen verlocken, weil man wissen will, warum die 16-jährige Tamar ihren Rucksack zu einer Höhle schleppt, wieder in die Stadt geht, sich die Haare abschneiden lässt und in der Straße singt in der Hoffnung, abgeschleppt zu werden. Das steckt mehr dahinter.  

So denkt sich jedenfalls der gleichaltrige Assaf, als er die Besitzerin einer Hündin aus dem Tierheim finden muss und sich dieser, Tamar, auf die Spur setzt, und dabei verfällt er ihr, verliebt sich in ihr Bild und ihre Geschichte und in sie, eine wunderbar literarische Konstruktion. Tamar überhaupt, diese große kleine Sängerin mit unglaublichem Willen, wird so zauberhaft geschildert, dass man sie gleich Micól aus dem Giardino dei Finzi-Contini und Perdita zur Seite stellen will.  

Assaf bleibt ihr nichts schuldig. Dauernd wird er verprügelt oder entmutigt, aber er bleibt Tamar auf der Spur; und dann Dinka, die Hündin! Nicht sehr groß sei sie gewesen, heißt es, aber voller Energie und Verzweiflung. So viel Energie wie die anderen neun Hunde in ihrem Käfig! Und dann kommt Assaf, und es wird gelaufen durch Jerusalem. »A dog runs through the streets, a boy runs after it.« So fängt der Roman an. 

Someone to run with?

 Zu viele Hunde unterwegs heutzutage, finde ich. Bin kein Hundefan, aber sie mögen mich trotzdem. Und ich muss sagen: Ich habe noch kein Buch gelesen, in dem ein Hund derart stark in die Handlung eingebunden ist. Dinka ist so präsent, dass man sich zwischendurch immer wieder fragt: Und wo ist Dinka? 

Kira von Rottenfuß, wenn ich nicht irre

Durch die Wahl der Schauplätze und die Geschichte entsteht unmerklich eine Atmosphäre von Klaustrophobie und Bedrohung: Da sind Verfolger in Jerusalem unterwegs; Tamar hat als Zufluchtsort eine Höhle präpariert; ihre Freundin ist die alte Theodora, die seit 50 Jahren in einem Haus in der Altstadt lebt, das sie nie verlassen hat. Und immer wieder wird man geschockt und von Gewalt überrascht, doch am Ende kommt es zur Befreiung, Tamar und Assaf dürfen sich finden, und Dinka stimmt bellend zu.

Ein Kommentar zu “Die Mitläufer”

  1. Hans

    nun, verleitet mich nicht das Buch zu lesen, da lese ich lieber:
    Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede von Haruki Murakami
    oder die anderen Bücher von Murakami