Miklós Radnóti

Ungarn bereiste ich nicht; es kam etwas dazwischen. Dennoch etwas über das Land und seine Vergangenheit. In einem Merian-Heft von 1992 fand ich eine Notiz über einen großen ungarischen Lyriker, der 1944 bei einem Todesmarsch von einem Konzentrationslager über hunderte Kilometer ums Leben kam, Miklós Radnóti.

Er wurde zwischen dem 6. und 10. November 1944 erschossen, und sein Körper lag mit 21 anderen in einem Grab bei Györ. Im Frühjahr habe ich in einem Beitrag über Sandor Marai über das Schicksal der ungarischen Juden geschrieben, von denen 750.000 in wenigen Monaten des Jahres 1944 ins Gas geschickt wurden. 

Viele Gedichte Radnótis wurden, wie es im Merian heißt, in der Brusttasche der Windjacke des Dichters gefunden, der noch in den letzten Wochen geschrieben hatte, im Angesicht des Todes. Sein letztes Gedicht stammt vom 31. Oktober 1944.

Er, neben dem ich hingestürzt lag, war schon
verrenkt, verspannt, wie Saiten springen.
Genickschuss.
― Also, ― raunte ich mir zu,
nur still, gleich sollst auch du’s zu Ende bringen.
Geduld bringt jetzt die Rose Tod hervor.

‚Der springt noch auf‘, ― scholl’s über mich hin.
Mir klebte Dreck vermischt mit Blut am Ohr.

 

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