Nichts ist, wie es scheint

Eine amazon-Kommentatorin zu einem Krimi der gestern erwähnten PR-Autorin schrieb als Schlusswort ihrer Rezension: »Nichts ist, wie es scheint.« Kam mir bekannt vor. Das hatte mein Lektor auch in den Klappentext meines ersten Romans geschrieben. Ist es vielleicht der Krimi in Kurzform?

Die Hindus halten diese Welt für maja, für ein Trugbild. Sie täuscht uns über die Wahrheit hinweg, die irgendwo  dahinter liegt, bei den Göttern. In unserem Kontext heißt Nichts ist, wie es scheint, auch, dass die Oberfläche täuscht. Appearances are deceiving, sagt der Engländer. Im Krimi geht es da um das dunkle Geheimnis oder eine Verschwörung, und alle Verschwörungstheorien sind nur hilflose Ersatzhandlungen, denn eigentlich meint man unsichtbare geistige Dimensionen.

Da ist also die Ahnung, dass diese Welt, die sich unseren Augen darbietet, nicht alles ist. Richtig. Was weiß ich schon vom anderen? Jeder hat seine Lebensgeschichte im Gepäck, und mache Geschichten würden uns umhauen. Der Ermittler im Krimi fungiert als der erleuchtete Prophet, der die verborgene Geschichte zu Tage fördert. Plötzlich erhält alles Sinn. Die Tat ist erklärt, der Bann gebrochen.

Aber sind wir damit am Ende angekommen? Können wir sicher sein, dass die Geschichte, die uns der Ermittler präsentiert, die letzte Wahrheit ist? Vielleicht ist das wieder nur eine Schicht, die eine tiefere Wahrheit verdeckt, denn wenn nichts ist, wie es scheint, trifft es vielleicht auch für die Lösung zu.

Wenn eine Frage geklärt sei, was sei dann damit gewonnen, fragte Wittgenstein. Heutige Krimileser und Krimischreiber leben in der Welt der Newtonschen Physik und der Philosophie vom Beginn der Neuzeit. Ein Fall ist gelöst, aber die ganze Welt bleibt weiterhin unverstanden. Das Wort Nichts ist, wie es scheint gibt immerhin eine vage Ahnung davon, dass die Welt vielleicht im ganzen unbegreifbar bleiben könnte.

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