Aracoeli

Aracoeli ist lateinisch und heißt Himmelsaltar. Das ist der Titel des vierten und letzten Romans von Elsa Morante (1912-1985), die in Rom aufwuchs und dort auch starb. Ihre beiden Romane Arturos Insel (1957) und La Storia (1974) habe ich nie vergessen können; einfach bestechend.

Komisch, wenn ich an die wunderbare Wirkung von Literatur denke, kommt mir als erstes La Storia in den Sinn, denn, obzwar ich das Buch vor Jahren las, hat sich bei mir diese zauberhafte Schilderung von Rom im Sommer erhalten, die Elsa Morante zeichnet. Es ist keine spezifische Erinnerung, nur eine ganz intensive Stimmung, die in mir weiterlebte.

Darum las ich nun Aracoeli. Erzähler ist ein 43-jähriger in Mailand lebender Italiener (lange Zeit wusste ich nicht: Ist es nun ein Mann oder eine Frau?), der unglücklich ist und ein paar freie Tage über Allerheiligen (also jetzt) nutzt, um eine improvisierte Reise zu unternehmen. Er, Manuele, fliegt nach Almeria, weil dort in der Nähe seine Mutter Aracoeli aufgewachsen ist, die aber nun seit 37 Jahren auf dem Friedhof Campo Verano in Rom ruht.

Andalusien

Elsa Morante schreibt ein distinguiertes, hochstehendes Italienisch, wunderbar zu lesen (aber mit Wörterbuch; was für ein  Vokabular!), doch faszinierend wird es erst, wenn Manuele auf seine Kindheit mir Aracoeli und Vater Eugenio zurückblickt, erst im römischen Stadtteil Montesacro und dann wohl im Parioli.

Eugenio, der Schiffskommandant, lernte Aracoeli dort in Andalusien kennen und brachte sie mit. Beide lieben sich sehr. Manuele kommt zur Welt; ein Schwesterchen folgt ihm, stirbt aber bald. Aracoeli bleibt eine mysteriöse kleine Person, und nach dem Tod der Kleinen verändert sie sich. Etwas arbeitet in ihr, der Mann ist dauernd unterwegs, und sie unternimmt Ausflüge mit ihrem kleinen Sohn, den sie abgöttisch liebt. Aber die Krankheit hat sie im Griff. Seltsam, aber sie wird nymphoman und kann sich nicht mehr kontrollieren, bis sie in ihrem Haus als Nutte verschrien ist.

Das geht so traurig weiter, aber man folgt gebannt, bis Aracoeli eines Tages einfach verschwindet. Sie schreibt ihrem Mann, sie sei nicht wert, seine Gattin zu sein. Der Sohn kommt bei lieblosen Großeltern im Piemont unter – bis Aracoeli wieder auftaucht, todkrank in einem Spital liegt: vermutlich Gehirntumor. Sie stirbt. Ihr Mann verlässt die Marine und zieht sich in eine heruntergekommene Wohnung zurück, in der Nähe des Friedhofs, um ihr nahe zu sein. Manuele besucht ihn noch einmal. Hinterher weint er. Aus Liebe, meint er. Zu wem? Zu Eugenio, nicht zu Aracoeli. Wie in Arturos Insel richtete sich seine Liebe auf den abwesenden Vater, der dann 1946 stirbt, wenige Jahre nach dem Tod von Aracoeli.

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