Der Messias

Richard Bach, geboren 1936, schrieb nach seinem Buch über die Möwe Jonathan dann 1977 Illusionen, die Geschichte eines »Messias wider Willen«. Dieser Guru heißt Don Shimoda. Richard (der Autor) trifft ihn als Flieger-Kollegen im amerikanischen Mittelwesten und lernt von ihm, selber ein Meister zu sein. Und wir könnten es auch lernen.

Kurz vor Ende des Buchs, das nicht verraten wird, gibt Don in einer Radiosendung Antwort auf Fragen von Hörerinnen und Hörern. Das Gespräch mit einer Frau ist bemerkenswert, denn sie sagt genau das, was »normale« Leute sagen, und der »Messias« Don antwortet darauf völlig überraschend. Diese Unterhaltung verdient es, wiedergegeben zu werden (ich habe es auf Italienisch hier und übersetze):

»›Also ich möchte diesem Herrn sagen, dass nicht alle das machen, was sie gern machen würden, und dass einige arbeiten müssen, um leben zu können und damit etwas Wichtigeres tun als ein bißchen herumzufliegen!‹
›Die Leute, die arbeiten, um zu leben, machen das, weil es ihnen am besten passt‹, antwortete Shimoda. ›Nicht anders als die, die tun, was Spaß macht …‹
›Die Bibel sagt: Im Schweiß deines Angesichts sollst du dir dein Brot verdienen …‹
›Wir sind frei, auch das zu tun, wenn wir das wollen …‹
›Mach, was dir Spaß macht! Ich bin es leid, von Leuten zu hören: Mach, was dir Spaß macht, mach, was dir Spaß macht! Lass alle Spaß haben, und sie zerstören die Welt. Sie zerstören sie jetzt schon, die Welt. Denken wir an das, was mit den Wäldern passiert, mit den Flüssen und den Ozeanen!‹
Sie hatte ihm fünfzig Möglichkeiten eröffnet, zu antworten, aber er ignorierte alle. ›Es ist okay, wenn die Welt zerstört wird‹, sagte er ruhig. ›Wir können tausend Millionen andere Welten erschaffen und unter ihnen wählen. Wenn die Menschheit Planeten will, wird es Planeten geben, auf denen man leben kann.‹
Das schien nicht dazu gemacht, die Frau am Telefon zu beruhigen, und ich sah Shimoda bestürzt an. (…)

Luftbild von einem Flug über die Schweiz
 

»›Oh, es ist also okay, nicht wahr?‹ sagte die Frau am Telefon. ›Es gibt also nichts Böses in der Welt, und es macht uns gar nichts aus.‹ –  ›Es geht nicht darum, ob es einem etwas ausmacht, liebe Frau. Wir sehen nur ein winziges Körnlein von dem Ganzen, was das Leben ist, und sogar dieses Körnlein ist eine Fiktion. Alles  kommt ins Gleichgewicht, und niemand leidet und niemand stirbt ohne seine Einwilligung. Niemand tut, was er nicht tun will. Es gibt nichts Gutes und es gibt nichts Böses, außerhalb dessen, was uns glücklich oder unglücklich macht.‹«

Die Frau meint dann, Don sei der Antichrist. »›Christus hat gesagt, wir sollten für unseren Nächsten leben. Der Antichrist sagt, wir sollten egoistisch sein, für uns selbst leben und die anderen zur Hölle fahren lassen.‹
›Oder ins Paradies, oder irgendwohin, wo sie Lust haben, hinzugehen.‹
›Sie sind gefährlich, wissen Sie das, mein Herr? Und wenn Ihnen alle Recht gäben und nur das täten, wozu sie Lust hätten? Was würde dann passieren, was meinen Sie?‹
›Ich glaube, dass unsere Welt dann vermutlich der glücklichste Planet in unserem Abschnitt des Universums wäre‹, gab Don zur Antwort.«

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