Schauerromantik und seltsame Heilige

Zwei Kunstausstellungen sind zu würdigen, für die ich mich zuständig fühle, weil sie das Okkulte und Künstlerische berühren: Schwarze Romantik im Frankfurter Städel-Museum, seit vergangenem Mittwoch eröffnet, und Narren, Künstler, Heilige in der Bundeskunsthalle Bonn, bereits seit 31. August zu sehen. 

Es ist ein soziologisches Phänomen, dass die Leute das Dunkle und Abgründige sehen wollen. Das jagt dem verwöhnten, gelangweilten Bürger kurzzeitig einen Schauder über den Rücken, der vergessen ist, sobald er dem Museum wieder den Rücken gekehrt hat. Dem in Horror und Krimis verliebten Publikum bietet man Gothic und Grusel, weil das Leben in westlichen Städten eben langweilig ist. Warum nicht die schöne Romantik, die blaue Blume, das Idyll, die Utopie?  

Man könnte darüber spekulieren, ob das Füttern des Konsumenten mit dem Bösen und dem Unheimlichen nicht das perpetuiert oder erst (in labilen Gemütern) freisetzt, was wir dann in den Nachrichten als Geschichten von Amokläufen und Mordtaten hören. Der Mensch ist ja ein sich nachahmendes Tier. Wir zeigen stets die dunkle Seite und bekämpfen sie gleichzeitig. Wir wollen eine friedliche Gesellschaft und beschäftigen uns andauernd geistig mit dem Schatten in uns; das kann nicht gut sein.  

Also im Städel 200 Werke von Goya, Johann Heinrich Füssli, Caspar David Friedrich und William Blake, während sich die Bundeskunsthalle seit Ende August den Exzentrikern und Verrückten widmet, ohne die unsere Kultur eine arme wäre. Ein Voodoo-Priester weihte in Bonn sogar einen Altar, um das Eindringen böser Geister abzuwehren, und als die Ausstellung anfing, erlebte ich – am selben Tag – etwas mit Voodoo und schrieb zwei Tage später darüber. 

Aus einem Bericht von Deutschlandradio Kultur: »Schamanen, Narren, Wahrsager, Künstler, Helden und Medizinmänner – die Ausstellung beleuchtet (über)menschliche Grenzgänger der verschiedensten Zeitepochen und Kulturkreise. Die Themen umfassen Menschliches und Übermenschliches, Christliches und Außerchristliches, Krankheit und Gesundheit, Wahnsinn und Vernunft. Fremd wirkende Bilder, spirituelle Zeichen, wilde Figuren u. a. aus dem alten Ägypten, dem Fernen Osten und Ozeanien treten neben barocke, klassisch-moderne sowie zeitgenössische Werke und führen dem Betrachter bei aller Unterschiedlichkeit immer wieder verblüffende Gemeinsamkeiten vor Augen.« (Bild: der Schweizer Exorzist Gassner.)  

Der Narr ist die Tarot-Karte, die keine Nummer hat. Er ist wie der Joker, wie Alles oder Nichts. Er kann verlacht werden oder verehrt. Für futura9 habe ich schon einmal über verrückte Erfinder geschrieben: lesenswert. Denn wir verdanken den Exzentrikern viele Errungenschaften unserer Zivilisation.

 

Ein Kommentar zu “Schauerromantik und seltsame Heilige”

  1. Regina

    Lieber Manfred!
    genau, warum nicht die schöne Romantik? Und warum Utopie? Also ist Grusel, Horror, Krimi normal! Ich will niemand beurteilen und selbst für nichts Rechenschaft abgeben müssen. Doch jedem soll das gefallen dürfen, was ihm/ihr persönlich gefällt. Du meinst, die Beziehungen zur Kunstwerken und sogar zwischen Menschen sei heute unpersönlich, neutal, abstrakt. Eigentlich schade und langweilig. Und Museen und Ausstellungen kann ich eh nicht leiden.

    Gruß, Regina