Stuttgarter Denker

Nach 20 Jahren wieder in Stuttgart gewesen, bei Freunden, aus eigener Initiative. Wer in Baden lebt, für den ist die Landeshauptstadt fern und feind, auch, weil ja Freiburg in der ersten Liga bleiben soll und nicht der VfB. Und erst mit 30 Jahren fuhr ich aus Oberbayern zum ersten Mal nach »Nürnberch«, deren Bewohner jetzt sogar einen Franken-Tatort haben, es sei ihnen gegönnt.

Bei der ersten Erkundung stießen wir auf das Hegel-Haus. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1821) ist ein fast heiliger Philosoph, und seine Phänomenologie des Bewusstseins ist schwierig, wenn nicht unverständlich, aber ich habe mir vorgenommen, mir das Buch noch einmal vorzunehmen. Hegel gehört mit Nietzsche und Heidegger zu den weltweit einflussreichsten deutschen Denkern. Nach Stuttgart kam er nach Tübingen, war einmal Redakteur in Bamberg und Schulrektor in Nürnberg (er musste irgendwie Geld verdienen), und dann bekam er seinen Traumjob: Man gab Hegel die freie Professur Fichtes in Berlin. In Nürnberg hatte er sein Lebensglück gefunden, eine liebe Frau, aber dann starb er überraschend 1821 in Berlin, anscheinend an der Cholera.

So schrieb Hegel. An einer Wand im Hegelhaus

Präsent ist natürlich auch Schillern. Friedrich Schiller (1759-1806) ist in Marbach geboren, 20 Kilometer nördlich. Heute ist er unbestritten der zweite Mann hinter Goethe, aber zeitlebens hatte er Ärger mit der Staatsgewalt, und immer war er kränklich und hatte Geldsorgen (wie Hegel). Auf dem Berg oberhalb Marbachs hat das Literaturmuseum der Moderne ein ganze Abteilung für Schillern eingerichtet, und da sieht man seine Hosen und Jacken und Mützen, das Glas, aus dem er trank, die Feder, mit der er schrieb. Viele Autographen sind zu sehen. Nebenan verbirgt das Literaturarchiv die Nachlässe von 1100 Autoren meistenteils aus der Neuzeit, aber hierhin dürfen nur Gelehrte. Manchmal holt man Exponate heraus für eine Sonderausstellung, die zuletzt Der Wert des Originals hieß (dauerte bis 12. April). Illustration: Das Schillerdenkmal am Stuttgarter Schillerplatz.

Erstes Exponat, das uns ins Auge fiel: ein Fahrrad, das Karl Valentin, unser bayerischer Komödiant, 1939 nachbaute für einen Film.

Weiter hinten an einer Wand hängt der Landsberger Poesieautomat von Karl Magnus Enzensberger. Auf Knopfdruck entsteht ein »zufälliges Gedicht« (Gerät ist auch abgebildet auf futura99phoenix): Auf fünf Querleisten klappen Buchstaben herunter wie bei der früheren Zug-Anzeige (es rattert so schön), und das Ergebnis ist ein Werk, zusammengemixt aus Bruchstücken von Gedichten, und da ergab sich ein wunderschöner Zufall: Ich drückte, wir warteten 40 Sekunden, dann erschien die erste Zeile, dann, erneut ratternd, die zweite, und in der dritten war der Satz zu lesen: »Brigitte ist immer so brutal.« Brigitte stand gerade neben mir (da waren noch Reinhard und C hristel). Also habe ich sie fotografiert und die Koinzidenz festgehalten, denn dann drückten zwei Mädels auf den Knopf, und etwas anderes kam, das Zitat lautete: »Meine Mutter ist immer so fürsorglich.« Unserer war ein Psi-Treffer.

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.